Zeitreise: Als Kiel den "grünen Gürtel" entwickelte

Stand: 21.05.2023 11:42 Uhr

Grüne Viertel in größeren Städten: Sie dienen vielen Menschen als Erholungsraum vom stressigen Alltag. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg sorgte die Stadt Kiel für mehr Lebensqualität.

von Thomas Kahlcke

Auf einer schwarzweiß Aufnahme steht ein Baum vor einem Haus. © NDR
Schäbige Häuser, dunkle Hinterhöfe: So sah es kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Teilen Kiels aus.

Unattraktive Innenstädte, zu wenig bezahlbarer Wohnraum, geringe Freizeitqualität: Das sind typische Probleme unserer Städte. Aber neu sind sie nicht. Kiel zum Beispiel hat bereits vor hundert Jahren einen massiven Umbau vorgenommen, um die Stadt für die Menschen attraktiver zu machen. Das geschah allerdings nicht freiwillig, sondern als Antwort auf eine schwierige Situation.

Marine und Werften im Ersten Weltkrieg zerschlagen

Die Marine und die Werften hatten die Stadt um 1900 groß gemacht. Nach dem Ersten Weltkrieg aber wurden beide Bereiche zerschlagen - die Stadt drohte zu verarmen. Hinzu kamen die materiellen und sozialen Folgen des Krieges. Dunkle Gassen und schäbige Häuser, beengte Wohnverhältnisse und miserable Hygiene: Nach dem Boom der Kaiserzeit war vom früheren Wohlstand nicht viel übrig geblieben. Es musste etwas geschehen, um die Lebensqualität besonders für die Geringverdiener zu verbessern.

Grüngürtel als Naherholungsraum

Luftaufnahme einer Grünfläche in Kiel. © NDR
Der Werftpark in Kiel galt damals als Prestigeobjekt für den Bau von Naherholungsräumen.

Da hatten die Stadtplaner eine folgenreiche Idee: Sie entwickelten einen Grüngürtel, der die ganze Stadt umschließt. Es ist das Gegenteil von Verdichtung und weiterer Urbanisierung. Der Grüngürtel bot Naherholungsräume für geplagte Arbeiterfamilien, Sportflächen für die Jugend und Kleingärten für Selbstversorger. Denn Nahrungsmittelknappheit war damals ein großes Problem. Rund 30.000 Kleingärten gab es in den 1920er Jahren in und um Kiel. Sie lieferten gesunde Lebensmittel, die den Familien sonst vorenthalten bleiben.

Auftakt für sozialen Wohnungsbau

Eine Luftaufnahme von Kiel. © NDR
Ein Beispiel für sozialen Wohnungsbau, die das städtische Leben wieder lebenswert machten.

Hinzu kam Wohnraum für die vielen Menschen, die sich teure Häuser oder Wohnungen nicht leisten konnten: Es war die Geburtsstunde des sozialen Wohnungsbaus. Statt der häufig dunklen und unwohnlichen Mietskasernen der Kaiserzeit, wurden nun helle Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen gebaut. Und in den Grüngürteln entstanden Siedlungen mit kleinen, aber gut geschnittenen Häusern und großen Selbstversorgergärten.

So wurde das städtische Leben wieder lebenswert. Mit dem revolutionären Konzept war die Stadt damals topmodern. Bis heute prägen die Grünanlagen und die vielen Gebäude aus den 1920er Jahren das Gesicht der Stadt Kiel.

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 21.05.2023 | 19:30 Uhr

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