Zeitreise: Als Japan Schleswig-Holstein entdeckte
Vor 150 Jahren reiste die Iwakura-Mission durch Schleswig-Holstein. Sie war von der japanischen Regierung geschickt worden, um Erkenntnisse in der westlichen Welt zu sammeln und Wissen mit nach Hause zu nehmen.
Sie reisten nicht nur nach San Francisco, London, Paris und Berlin, sondern auch nach Schleswig-Holstein. In Lübeck kamen sie mit dem Postschiff aus Kopenhagen und legten früh am Morgen des 1. Mai 1873 am Pier von Lübeck an. Die Iwakura-Mission, die im Auftrag des japanischen Kaisers seit zwei Jahren durch viele Länder fuhr, um sich ein Bild von der westlichen Kultur zu machen.
Das Ziel war, keine Kolonie zu werden
Wofür westliche Länder Hunderte Jahre brauchte, sollte in wenigen Jahren gelingen. Dafür sollte die Iwakura-Mission, benannt nach dem Leiter der Mission Iwakura Tomomi, sich die besten Vorbilder in den Fachgebieten ansehen und Gelehrte anwerben, erzählt Shuichi Umino. Ihn hatte seine Liebe zur klassischen Musik nach Kiel gebracht. Inzwischen besitzt der gelernte Sänger ein Restaurant in der Landeshauptstadt. Der früheren japanischen Regierung war klar: Wenn Japan nicht selbst Kolonie werden will, muss es dem Westen ebenbürtig sein.
Netzfabrik und Fischereigesellschaft
Und dafür fuhr die Delegation auch nach Schleswig-Holstein. Ein eigens mitfahrender Chronist notierte zum Beispiel, das die Einkünfte der Freien Stadt 1.640.000 Mark Kurant betrug, was 513.000 Dollar entsprach. Er schrieb auch, dass es eine Bürgerschaft gibt und dass die meisten Bewohner Protestanten sind. Interessiert zeigten sich die Japaner an einer mechanischen Weberei in Itzehoe, "die deutschen Fischer bestellen durchweg von dieser Fabrik ihre Netze, niemals kaufen sie von ausländischen Staaten". Auch eine neue "Fischereigesellschaft" zur Untersuchung zum Fischereiwesen lernten die Japaner kennen. Sie wurde 1870 in Kiel gegründet und war der Vorläufer des Instituts für Meereskunde.
Die Ärzte aus Deutschland waren Vorbilder
Michiyo Suzuki erzählt, dass sich Japan durch die Erkenntnisse der Iwakua-Mission tatsächlich rasch veränderte. Sie wohnt seit 26 Jahren in Kiel und lehrt die traditionelle japanische Zeremonie. Schon auf der Fahrt durch die Welt hatten die Mitglieder der Mission ihre traditionellen Gewänder gegen westliche Kleidung getauscht. Manche, erzählt die Teemeisterin lächelnd, hatten sogar nach einem Besuch beim Reichskanzler Otto von Bismarck angefangen, Zigarre zu rauchen. Sie erinnert sich daran, dass in ihrer Kindheit die Ärzte in Japan deutsch miteinander sprachen. Sie schrieben ihre die Notizen auf den Krankenkarten auf Deutsch auf, damit die Kranken es nicht verstanden. Denn die die Mitglieder der Iwakura-Mission nahm die Medizin aus Deutschland zum Vorbild, hielten sie damals für die Beste in der Welt.
Schleswig-Holsteiner beeinflusst das Verwaltungsrecht
Und auch ein Schleswig-Holsteiner hatte seine Spuren in der neuen Verfassung Japans hinterlassen: der Eckernförder Staatsrechtler Lorenz von Stein. Er hatte das Verwaltungsrecht und das Strafgesetz maßgeblich beeinflusst. Der japanische Kaiser zeichnete ihn sogar mit einem Orden aus. Noch heute gibt es ein geflügeltes Wort für Japaner, die nach Deutschland reisen: "Sie fahren zu Stein".
Modernisierung gelingt
Nachdem die Mission wieder in Japan eintrifft, beginnt die Modernisierung und Industrialisierung der Insel. Viele Studenten werden "in die Welt geschickt", um im Westen zu lernen und Wissen mit nach Hause zu bringen. In kürzester Zeit wird Japan zu einer imperialistischen Großmacht, die selbst Kolonien errichtet, anstatt eine zu werden. Maßgeblich beeinflusst ist die Entwicklung von Preußen, zu dem damals auch die Provinz Schleswig-Holstein gehört.