Wie die Polizei mit Super-Recognizern verdächtige Fans findet
Für Fußball-Zweitligist Holstein Kiel ging es am Sonnabend um Punkte für den Aufstieg, für Hansa Rostock um den Klassenerhalt - und für die Polizei um die Suche nach mutmaßlichen Straftätern aus der Rostocker Ultra-Szene. Die Geheimwaffe der Polizei: die Super-Recognizer.
"Er ist es, hundertprozentig, schwarze Basecap mit Schnörres. Die Gelegenheit ist jetzt günstig", gibt Super-Recognizer Andre im Kieler Hauptbahnhof an seine Kollegen per Funk weiter. Andre ist bei dem Fußballspiel Holstein Kiel gegen Hansa Rostock als "Super-Recognizer" im Einsatz.
Er hat eine Gabe, die nur ein bis zwei Prozent der Menschheit hat: Er kann sich so gut Gesichter merken, dass er sich noch viele Jahre später an Personen erinnert, die er nur kurz gesehen hat - also übersetzt: Andre ist ein "super Erkenner". Gemeinsam mit seinem Kollegen Stefan, auch Super-Recognizer, soll er heute mutmaßliche Straftäter aus der Rostocker Ultra-Szene finden. Die Namen der beiden Super-Recognizer haben wir geändert.
Die mutmaßlichen Straftäter sollen während des Spiels der Rostocker gegen den FC St. Pauli unter anderem schweren Landfriedensbruch und schwere Körperverletzung begangen haben. Die Aufgabe von Andre, Stefan und weiteren Super-Recognizern ist es, die Verdächtigen, die aus der Ultra-Szene kommen sollen, zu finden. Festgenommen werden sie nicht. Die Beamten nehmen zunächst nur ihre Personalien auf. Die Polizei hatte zwar Foto- und Videomaterial, aber keine Namen der mutmaßlichen Straftäter.
Super-Recognizer: Meine Arbeit geht nur im Team
Bevor die speziellen Erkenner in den Einsatz gehen, bekommen sie Foto- und Filmaufnahmen der Tatverdächtigen zu sehen. Die müssen nicht perfekt sein, sagt Andre. Während des Einsatzes in Kiel konnten fünf der dreizehn Tatverdächtigen von Super-Recognizern der Bundespolizei gefunden werden. Dass die Polizei die Identität eines Tatverdächtigen aufnehmen könne, sei reine Teamarbeit, erzählt Andre. Seine Arbeit nütze nichts, wenn die Identität der Tatverdächtigen nicht von anderen Polizisten aufgenommen werde. Es ist ein Zusammenspiel, sagt Andre.
Wiedererkannt nach drei Jahren
Andre ist 2017 auf eine andere Dienststelle, zur Zivilfahndung, gekommen. Dort, erzählt er, war ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit im Bahnhofsbereich unbekannte Täter zu finden. Ihm reichten einige, wenige Fotos der Täter und Andre wusste, welche Straftat der Täter begangen hatte. Teilweise konnte er sich an Täter erinnern, die vor drei Jahren eine Straftat begangen haben. Andre begann zu recherchieren und fand eine Art Gesichtserkennungs-Test einer Psychologin von der Universität Kiel. Er machte einen weiteren Test von einer englischen Universität. Beide schloss Andre mit sehr großem Erfolg ab.
Es ist ein Bauchgefühl
Andre achtet, erzählt er uns, auf das Gesicht, auf die Motorik, auf die Gesamterscheinung, auch auf die Klamotten. In erster Linie sei es aber das Bauchgefühl, auf das er hört. Sein Bauchgefühl sage ihm, dass das die Person zu dem Bild sei, das er sich vorher angesehen hat, so Andre. Fehler unterlaufen ihm natürlich auch mal. Wenn er zehn Leute anhält, sei da auch mal einer dabei, der es dann nicht ist.
Fußball ist Nebenschauplatz
Im alltäglichen Dienst ist Andre in der zivilen Fahndungsgruppe der Polizeiinspektion Hamburg rund um den Hauptbahnhof tätig und setzt dort seine Gabe ein. Super-Recognizer werden eingesetzt, um zum Beispiel Taschendiebe oder kriminelle Fußballfans aufzuspüren. An Flughäfen und bei Demonstrationen werden sie auch genutzt. Möglich wäre auch ein Einsatz der Super-Recognizer zur Kieler Woche. Da werde man unter Umständen diese besondere Maßnahme ergreifen, wenn die Polizei zum Beispiel vermehrt Taschendiebe bemerkt.
Insgesamt gibt es bislang 113 Super-Recognizer bei der Bundespolizei. Wie viele von ihnen aus Schleswig-Holstein kommen, ist unbekannt.
Super-Recognizer auch bei EM im Einsatz
Im Sommer sollen die Super-Recognizer auch während der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land eingesetzt werden. Laut Bundespolizei arbeitet man schon jetzt eng mit internationalen Behörden zusammen, um möglicherweise auch ausländischen Straftätern auf die Spur zu kommen.
Geschichte der Super-Recognizer
Das Thema Super-Recognizer kommt eigentlich aus England. Die Universität in Greenwich hat federführend die wissenschaftliche Arbeit dahinter übernommen. Später haben die britischen Behörden die Forschungen für ihre Polizei eingesetzt, erklärt Super-Recognizer Andre. Schnell haben dann auch in Deutschland die ersten Testphasen zu Super-Recognizern begonnen. Ob eine Polizistin oder ein Polizist diese besondere Gabe hat, wird in einem Test ermittelt. Den können alle Angestellten der Polizei freiwillig machen.
Positive Bilanz nach dem Spiel Kiel - Rostock
Sowohl für die Super-Recognizer als auch für die anderen Polizistinnen und Polizisten war es in Kiel ein guter Einsatz. Die Anhänger beider Fanlager haben sich ruhig und friedlich verhalten. Sollten Fußball-Fans Straftaten begehen, müssen sie immer daran denken: Sie werden unter Umständen beobachtet.