Wie alte Gemüsesorten auf den Restaurant-Teller kommen
Bernd Sautter ist Foodscout: Er organisiert für Spitzenköche den besonderen Geschmack - den von oft längst vergessenen, alten Gemüsesorten. Bei vier Partner-Landwirten lässt er sie anbauen.
Vorsichtig sticht Landwirt Finn Milthaler in Silberstedt (Kreis Schleswig-Flensburg) mit der Grabegabel in den lehmigen Winterboden und zieht sandiges, länglich gewachsenes und zottelig aussehendes Gemüse ans Tageslicht - Haferwurzeln. Neben Milthaler steht sein Auftraggeber für den Anbau der Pflanze: der Foodcout Bernd Sautter. Für ihn ist die Haferwurzel ein Schatz. "Das ist ganz altes, lange vergessenes Gemüse, das im Supermarkt gar nicht erhältlich ist", sagt er. Das Aroma erinnere an Austern, mit leichtem Hauch von Meer und Jod.
"Vor allem in der Sterneküche ist die Haferwurzel heiß begehrt", erklärt Sautter. Ende Februar ist Erntezeit, auch um diese Zeit kann die Haferwurzel noch genussreif aus der Erde gezogen werden. Er füllt eine kleine Kiste mit dem Gemüse. Ein Kunde von ihm wartet auf die Lieferung - knapp 100 Kilometer südöstlich von hier.
Saatgut-Initiativen und Landwirte sind Partner
Seit 15 Jahren ist der gebürtige Süddeutsche, der heute in Molfsee bei Kiel lebt, als Foodscout auf der Suche nach dem besonderen Geschmack und zum Teil längst vergessenen Gemüsesorten. Leben kann er davon längst, hat manchmal sogar mehr Anfragen, als er bearbeiten kann. Seine Kunden kommen aus der Spitzengastronomie. Dort hat der gelernte Koch selbst jahrelang als Küchenchef gearbeitet. "Die Top-Köche möchten das Besondere", sagt er. Für sie reist Bernd Sautter durch die Lande, recherchiert auf internationalen Foodmessen, im Internet, treibt über spezielle Initiativen seltenes Saatgut auf und macht mit ausgewählten Bio-Produzenten in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsame Sache. "Ich habe vier Partner-Landwirte, die für mich die gewünschten Sorten anbauen."
Foodscout zahlt pro Stück - nicht wie üblich pro Kilo
Einer davon ist Finn Milthaler. In vierter Generation bewirtschaftet er den familieneigenen Biolandhofs Görrisau nahe Schleswig. Von seiner 22 Hektar großen Gemüsefläche steht ein halber Hektar für die Wünsche von Bernd Sautter bereit. Insgesamt zehn besondere Sorten wachsen hier je nach Saison, darunter selten gewordene Kartoffeln, spezielle Möhren, wie zum Beispiel die Gniff, kurz und stumpf gewachsen mit lila Haut und weißem Herzen. Für Junglandwirt Milthaler ist die Partnerschaft mit dem Foodscout eine willkommene Abwechslung zum normalen Tagesgeschäft. "Es macht mir Spaß, die besonderen Sorten anzubauen. Wir setzen als kleiner Biobetrieb ohnehin auf Vielfalt." Mit Sautter rechnet er zum Teil zum Stückpreis ab und nicht wie sonst üblich pro Kilo. "Wir haben mit den alten Sorten auch einen etwas höheren Aufwand durch mehr Handarbeit auf dem Feld", sagt er.
Köche schätzen Qualität, Geschmack und Kreativität
Christian Jensen ist Küchenchef des Restaurants Melkhus im 2021 eröffneten Hotel Gut Immenhof in Malente. Mitte der 1950er-Jahre wurde das Gut am Kellersee berühmt durch die gleichnamigen Heimatfilme und ist heute ein Ort für gehobenen Genuss. Jensen ist einer von insgesamt etwa 40 Köchen bundesweit, die mit Bernd Sautter zusammenarbeiten. Heute bekommt er allerlei Gemüse, darunter auch die frisch geernteten Haferwurzeln. Er schätzt neben der Qualität und dem Geschmack der Produkte die Kreativität des Foodscouts. "Bernd hat meistens noch etwas im Kofferraum, mit dem man sofort etwas ausprobieren kann", sagt er lachend. "Außerdem weiß ich genau, woher das Gemüse kommt, und es hat immer auch eine Geschichte."
Preislich, so der Küchenchef, lägen die Produkte nur marginal höher als bei einem Einkauf auf dem Wochenmarkt. Mit den frisch gelieferten Haferwurzeln bereitet er ein Gericht mit Perlhuhnbrust und -ragout, Dänischen Fingerkartoffeln und Schafspilzen zu. Für Sautter, der dem Küchenchef beim Anrichten über die Schulter schaut, immer ein besonderer Moment. "Ich freue mich, wenn ich sehe, was die Köche aus den Produkten Tolles machen", sagt er.