Nachhaltige Server: Warme Luft lässt Algen blühen
Kurz mal das Regenradar auf dem Smartphone checken? Die stauärmste Route durch die Stadt finden? Fotos in die Cloud hochladen? Damit all das läuft, brummt irgendwo auf der Welt ein Rechenzentrum vor sich hin - und muss aufwendig gekühlt werden. Laut dem Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit verbrauchen Rechenzentren in Deutschland pro Jahr so viel Strom wie die gesamte Stadt Hamburg inklusive Hafen. Und mit der zunehmenden Digitalisierung werden immer mehr Rechenzentren gebraucht. Ein großes Problem für das Klima, das ein Start-up aus Nordfriesland in Schleswig-Holstein lösen will.
Ein Besuch auf dem Greentech-Campus in Enge-Sande zwischen Flensburg und Föhr ist wie eine kleine Reise in die Zukunft: Auf dem ehemaligen Bundeswehr-Gelände dreht ein kleiner autonomer Elektro-Bus gemächlich seine Runden. Hier tüfteln Unternehmen an innovativen Ideen rund ums Thema Erneuerbare Energien. Ende April geht es für Thomas Reimers und seine Kollegen vom Start-up Windcloud in die heiße Phase: Dann starten sie mit dem Umbau einer ehemaligen Rotklinker-Kaserne. "Oben drauf werden wir ein 300 Quadratmeter großes Gewächshaus bauen", sagt Thomas Reimers. "Dort sollen Algen wachsen. Unten in der ersten Etage haben wir unser Büro und unser Rechenzentrum."
Warme Luft sinnvoll nutzen
Windcloud will Rechenzentren nachhaltiger machen. Ihr erstes Rechenzentrum haben die Gründer nach langen Baugenehmigungs- und Zertifizierungsverfahren vor ein paar Wochen in Betrieb genommen. Bislang ist es so: Beim Betrieb laufen die Server warm. Um sie zu kühlen, wird kalte Luft durch sie hindurchgepustet und kommt auf der Rückseite der Serverschränke warm wieder heraus. Dann verpufft die warme Luft einfach. "Aber wenn wir später die Algenfarm haben, dann wird die warme Luft über ein großes Rohr direkt nach oben geleitet - und wärmt dann noch das Gewächshaus, vor allem im Winter." So könnten ganzjährig Kräuter, Erdbeeren oder Mikroalgen in Enge-Sande wachsen.
Algen binden Kohlendioxid
Die Rechenzentren von Windcloud werden da gebaut, wo "grüner Strom" aus Windenergie sowieso vorhanden ist. Für die Nachhaltigkeit spielen außerdem die Mikroalgen eine große Rolle. Sie enthalten viel Omega-3 und werden deshalb für Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika genutzt. Der Anbau von Algen lohnt sich nicht nur finanziell, sondern hat darüber hinaus den Vorteil, dass Algen im Wachstum viel Kohlendioxid binden, weil sie Fotosynthese betreiben.
Nachhaltigkeit muss nicht teuer sein
Für Algen ist Kohlendioxid wie Dünger: Aus Kohlendioxid, Licht und Nährsalzen produzieren sie Sauerstoff und Biomasse. Sie wachsen in länglichen Folienschläuchen, die so aussehen, als hätte man giftgrünes Blut in Transfusionsbeutel gefüllt. Um den Anbau und den Vertrieb der Mikroalgen kümmert sich eine spezialisierte Firma aus Vechta-Langförden. Thomas Reimers zeigt sich überzeugt, dass Windcloud durch die Einnahmen aus der Algenfarm seinen Kunden günstigere Tarife anbieten kann als Wettbewerber.
Ausreichend Platz
Rund 30 Kunden hat das junge Start-up bislang. Sollte die Nachfrage steigen, stehen auf dem Campus noch 34 Bunker zur Verfügung, die nach dem Vorbild der Kaserne umgebaut werden könnten.
Wie die Digitalisierung nachhaltiger werden kann, dazu forscht auch Ralph Hintemann vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit: "Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass im Jahr 2030 fast zehn Prozent des weltweiten Stromverbrauchs auf das Konto von Rechenzentren gehen. Das sind natürlich enorme Mengen." Um die politisch gesteckten Klimaziele zu erreichen, sei es besonders wichtig, Anlagen effizienter zu machen sowie regenerativen Strom und Abwärme zu nutzen, sagt der Nachhaltigkeits-Experte.
Eine Vorbildfunktion für andere?
Diese Ziele verfolgt auch das kleine Start-up aus Enge-Sande und will damit beweisen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit einhergehen können. Sollte das gelingen, könnte es als erstes CO2-neutrales-Rechenzentrum überhaupt eine Vorbildfunktion haben für weitere Industrien.