Wedel: Kommt die Feuerwehr wegen Tempo-30-Zonen zu spät?
Mehr Verkehrssicherheit, besserer Lärmschutz, weniger Schadstoffe in der Luft und mehr Raum für Radfahrer - das versprechen sich viele Kommunen im Land von Tempo 30 innerorts. Aber mehr Tempo-30-Zonen können auch Probleme machen - zum Beispiel für die Feuerwehren.
Zehn Minuten - dann müssen die ersten Helfer am Einsatzort sein. Die Zeit läuft ab dem ersten Alarm, wenn die Feuerwehrmänner und -frauen zur Feuerwache eilen, sich umziehen, aufsitzen, ausrücken und dann mit dem Feuerwehrauto zur Brandstelle fahren, zum Unfall und überall hin, wo ihre Hilfe gebraucht wird. Diese Zeit sei extrem knapp bemessen, sagt Wehrführer Michael Rein. Tempo 30 bremse in vielen Orten schnelle Hilfe aus zum Beispiel in Wedel bei Hamburg.
"Wir wohnen ja nicht in der Wache. Hier halten sich nicht ständig 50 bis 60 Leute bereit, sondern sie kommen von zu Hause oder der Arbeit. Den wenigsten Menschen ist klar, dass lahmer Verkehr, beruhigte Zonen, wo man sehr langsam fahren muss, uns richtig bremst und zur Einsatzzeit hinzugerechnet werden muss." Michael Rein, Wehrführer Freiwillige Feuerwehr Wedel
Manchmal heißt das: "Das erste Fahrzeug kommt dann erst nach den vorgeschriebenen 10 Minuten an die Einsatzstelle."
Vorschrift: In zehn Minuten vor Ort sein
Im "Organisationsplan Feuerwehr" des Innenministeriums ist festgelegt, dass die Feuerwehren in Schleswig-Holstein innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort sein sollen. Die Gemeinden und Städte können ihrerseits eigene Pläne aufstellen. In Wedel wurden die zehn Minuten des Innenministeriums übernommen. In Fällen der Brandrisikoklasse 3 und 4 gelten sogar acht Minuten als Vorgabe. Die Brandrisikoklassen kategorisieren dabei Bebauungsstrukturen und bewerten deren Risiko im Falle eines Brandes. RK 4 umfasst zum Beispiel Einkaufszentren oder Krankenhäuser.
Auch Feuerwehrleute dürfen nicht rasen
Wir machen einen Test mit Feuerwehrmann Sascha Börgmann unter den typischen Bedingungen: Wie lange braucht er nach einem Alarm von seiner Wohnung zur Wache? Die Bedingungen sind ganz normal, das heißt: Er sitzt in seinem Privatwagen und muss erst noch zur Wache kommen. Dabei muss er muss sich an alle Verkehrsregeln halten. Rasen ist nicht - wenn er erwischt wird, trägt er die Konsequenzen selbst.
Der Landesfeuerwehrverband erklärt auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein: Feuerwehrfrauen und -männer sollten sich auch nach einem Alarm generell an alle Regeln der Straßenverkehrsordnung halten. Zwar dürften Helferinnen und Helfer theoretisch in einer besonderen Situation schneller fahren - aber auch für sie gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Nachweis ist in einer Auseinandersetzung mit Behörden oder vielleicht später vor Gericht sehr aufwändig. Und genau das wüssten viele Menschen außerhalb der Feuerwehr überhaupt nicht.
Frust für Einsatzkräfte
Die Testfahrt mit Feuerwehrmann Sascha Börgmann führt durch mehrere 30er-Zonen am Elbhafen von Wedel entlang Richtung Wache: Neben den 30er-Zonen halten ihn Baustellen, Bodenwellen oder unter anderem ein langsam fahrender Laster auf. Eigentlich wohnt er gar nicht so weit weg von der Feuerwache. Er erreicht sie nach 6:23 Minuten. Jetzt bleiben noch etwa dreieinhalb Minuten, um innerhalb der Zehn-Minuten-Vorgabe mit den ersten Kräften am Einsatzort anzukommen - kaum zu schaffen.
Wehrführer Rein sagt: "Es frustriert, wenn man unter Umständen zu spät kommt und dann ja auch mit den Folgen klar kommen muss - man selber ja auch als Einsatzkraft. Es können dann ja Menschen zu Schaden kommen. Im schlimmsten Fall sterben."
Feuerwehrleute wünschen sich Diskussion
Fünf Straßen sind nach den Planungen in Wedel aktuell als neue 30er-Zonen im Gespräch. Die Stadt sagt, die Verkehrsnetze müssten den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst werden. Verkehrsberuhigung wünschen sich auch die Feuerwehrleute - allein wegen der höheren Sicherheit. Aber sie wünschen sich auch eine breite Diskussion über die Folgen von immer mehr Tempo-30-Zonen.