Typ-1-Diabetes: Wie ein Verein hilft, mit der Krankheit zu leben
Über 12.000 Menschen in Schleswig-Holstein haben Typ-1-Diabetes. Mit den Herausforderungen und den negativen Gefühlen, die die Krankheit mit sich bringt, fühlen sie sich oft alleingelassen. Der Verein "Blickwinkel Diabetes e.V." will das ändern.
Nie mehr essen, ohne Insulin zu spritzen. Nie mehr Sport machen, ohne den Blutzucker zu checken. Nie mehr aus dem Haus gehen, ohne Traubenzucker dabei zu haben. So geht es Tale Zielke aus dem Kreis Dithmarschen, so geht es Lea Raak aus Kiel und so geht es über 12.000 Menschen in Schleswig-Holstein, die mit Typ-1-Diabetes leben.
Viele negative Gefühle
Typ-1-Diabetes ist die unheilbare Form des Diabetes, einer Autoimmunerkrankung. Oft tritt die Krankheit schon im Kinder- und Jugendalter auf. Aber auch Erwachsene erkranken daran. Sicher ist: Typ-1-Diabetes bleibt ein Leben lang. Die Betroffenen fühlten sich oft missverstanden, von der Gesellschaft und vom eigenen Umfeld, sagt Tale Zielke. "Eine ständige Herausforderung ist das Stigma (...), was in der Gesellschaft verankert ist. (...) Ich muss viel erklären und das kostet sehr viel Energie", betont die Typ-1-Diabetikerin. Zum Beispiel würden viele den Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes nicht kennen. Andere würden denken, Diabetiker hätten als Kinder zu viel Zucker gegessen und seien indirekt schuld an ihrer Krankheit.
Allein mit dem Diabetes
Tale Zielke, heute 27 Jahre alt, bekam den Diabetes als sie neun Jahre alt war. Als ihr gesagt wurde, dass sie sich jetzt den Rest ihres Lebens spritzen muss, wurde sie depressiv, wie sie berichtet. Körperlich und psychisch sei die Krankheit eine ständige Herausforderung gewesen. Lange fühlte sie sich allein mit ihren Gefühlen und dem Diabetes. "Ich wusste immer: Ich brauche etwas, um den Diabetes zu akzeptieren. Ganz lange habe ich verzweifelt gesucht, aber es gab gar nichts für Leute in meinem Alter. Dann habe ich online gesucht und bin auf Gleichgesinnte gestoßen", berichtet sie.
Tägliche psychische Herausforderung
Gleichgesinnte findet Tale Zielke im Verein "Blickwinkel Diabetes e.V.". Gegründet wurde der im Mai 2023 von Lea Raak aus Kiel - auch sie hat Typ-1-Diabetes. Über Instagram und das Magazin "Diabetes-Journal" hatte sie nach Ehrenamtlichen für den Verein gesucht. "Mir liegen besonders die täglichen psychischen Herausforderungen am Herzen, die das Leben mit Diabetes mit sich bringt", sagt Lea Raak. Oft verstünden nicht betroffene Menschen diese Herausforderungen nicht. "Ich finde es total wichtig, dass ich eine Community habe", betont die 29-Jährige.
Aufklärung auf Social Media
Alle zwei Wochen trifft sich das Team von "Blickwinkel Diabetes e.V.". 20 ehrenamtliche Personen engagieren sich im Verein. Die Mitglieder sind im Alter zwischen 18 und Mitte 30. Auf Social Media klären sie über die Krankheit auf, bringen Menschen mit Typ-1-Diabetes zusammen und informieren über Veranstaltungen. Einmal im Jahr organisiert der Verein ein Wochenende für Menschen mit Typ-1-Diabetes, regelmäßig gibt es offene Treffen - überall in Deutschland.
Austausch ist wichtig
Tale Zielke ist schon von Beginn an dabei. "Als Lea den Aufruf gepostet hat, war das für mich wie ein Schlüsselmoment", sagt sie. "Meine Einstellung zu meinem eigenen Diabetes ist erst richtig gut geworden, als ich diesen Austausch und diese Community gefunden habe. Das war davor einfach schwierig", fasst sie zusammen.
Rückenwind durch Thomas-Fuchsberger-Preis
Für ihr ehrenamtliches Engagement bei "Blickwinkel Diabetes e.V." hat Gründerin Lea Raak Mitte Oktober den Thomas-Fuchsberger-Preis verliehen bekommen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird an eine Person verliehen, die sich für die Aufklärung und die praktische Hilfe im Umgang mit der Krankheit einsetzt. Für Lea Raak und den Verein bedeutet der Preis: Sie können weitermachen mit dem, was ihnen am Herzen liegt: Jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind.
Freundschaften in der Community
Für den Weltdiabetestag am 14. November hat der Verein eine Instagram-Kampagne vorbereitet. Und in Zukunft? "Wir wollen noch mehr Offline-Austauschformate finden, um über ganz verschiedene Dinge sprechen zu können. Es muss auch nicht immer Diabetes sein", betont Lea Raak. Denn gerade durch den Offline-Austausch entstehen auch Freundschaften - zwischen Menschen, die mit der gleichen Krankheit umgehen müssen. "Dass es so eng wird, das ist richtig schön für mich und das hätte ich nicht erwartet", freut sich Lea Raak.