Slowflower-Bewegung: Ranunkel aus SH statt Rose aus Kenia
Die nachhaltigen Floristen verkaufen nur, was aktuell in der Region wächst - und setzen keinen synthetischen Dünger ein. Auch in Schleswig-Holstein gibt es solche Unternehmen.
Mit einer Schere arbeitet sich Andrea David durch die Reihen von Ranunkeln, um einen knallbunten Strauß zusammenzustellen. Ein Beet weiter stehen die Anemonen in voller Blüte und dahinter strahlen die Tulpen in den unterschiedlichsten Farben. "Das sind die Schnittblumen, die jetzt im Mai blühen", sagt David. Ein paar Hundert Sorten, darunter auch Rosen, Gräser und Stauden, baut die Blumenfarmerin auf ihrem 2.500 Quadratmeter großen Feld in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn) an. Sie vermarktet sie an Privatkunden und Unternehmen. David ist eine von mehr als 230 Aktivisten der Slowflower-Bewegung im deutschsprachigen Raum. Acht davon gibt es mittlerweile in Schleswig-Holstein. In die Sträuße kommt bei ihr und ihren Mitstreitern nur, was gerade Saison hat, also keine frischen Rosen im Winter und keine Hortensien im Mai.
Die meisten Schnittblumen werden importiert
"Wir möchten ein Bewusstsein schaffen, dass bei uns eben nicht rund ums Jahr alles blüht", sagt Lisa Motullo, Vorstandsmitglied des Slowflower-Vereins. "Wir sind viel zu sehr daran gewöhnt, dass wir immer alles im Laden bekommen. Das geht auch auf Kosten der Umwelt." Das Problem: Rund 80 Prozent der in Deutschland verkauften Schnittblumen werden importiert, weil der hiesige Anbau den Hunger auf frische Blumen rund ums Jahr nicht stillen kann. Mit rund 166.100 Tonnen führten die Niederlande 2022 die Liste der Länder an, die Schnittblumen nach Deutschland exportierten. Allerdings heißt das nicht, dass die Blumen dort angebaut wurden, sondern nur, dass sie dort gehandelt wurden. Zweitgrößter Lieferant war im gleichen Jahr Kenia mit 7.700 Tonnen.
Schnittblumenproduktion in fernen Ländern oft umweltschädlich
"Problematisch an der massenhaften Einfuhr von Schnittblumen ist neben den hohen Emissionen durch den Transport und dem großen Wasserverbrauch auf den Plantagen, dass dort sogar Pestizide angewendet werden, die in Deutschland längst verboten sind", sagt Martina Gremler, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Schleswig-Holstein (BUND). Erst Anfang des Jahres hatte das Magazin Öko-Test 21 Rosensträuße untersucht. Das Ergebnis: Nicht einer war frei von Spritzgiften, auf jedem dritten Strauß fanden die Tester sogar eine zweistellige Anzahl von Mitteln. Auf drei Viertel der getesteten Blumen fand man zudem solche Gifte, die in der EU gar keine Zulassung haben.
Synthetischer Dünger bei Slowflower Tabu
Auf den Feldern der Slowflower-Bewegung kommen solche Spritzmittel ebenso wie synthetische Düngemittel nicht zum Einsatz. Man verzichtet zudem auf den energieintensiven Anbau im Gewächshaus und setzt auf kurze Lieferwege zu den Kunden. "Wir wirtschaften bodenschonend in Kreisläufen und schauen, was die Natur hervorbringt", sagt Andrea David. Sie und ihre Mitstreiter sind eng vernetzt, tauschen regelmäßig Wissen und Erfahrungen aus. "Die meisten von uns sind Quereinsteiger, die ihrer Leidenschaft auch beruflich nachgehen wollten", erklärt Lisa Motullo. Zudem sei gut die Hälfte der Slowflower-Anhänger im Nebenerwerb tätig.
Regionalität beschäftigt auch konventionelle Floristen
In Sachen Regionalität sieht Sven Kolberger vom Fachverband Deutscher Floristen Nord die Branche schon gut aufgestellt. Der Kieler Florist ist Mitglied im Verein Nordfreunde, einem Zusammenschluss von Gärtnern, Floristen und Fachhändlern, der die Vermarktung und das Bewusstsein für regional produzierte Blumen und Zierpflanzen im Hamburger und norddeutschen Raum voranbringen möchte. Die Gärtnereien produzieren sowohl im Freiland als auch im Folientunnel. Sie bieten ihre Ware auch auf dem Hamburger Großmarkt an. "In den Sommermonaten kann ich in meinem Laden immerhin schon zur Hälfte Blumen aus deutscher Produktion anbieten", sagt Kolberger. Der Blumenhändler ist allerdings überzeugt, dass es noch viel Überzeugungsarbeit brauche, bis die Kunden wissen wollen, woher ihre Blumen kommen. "So weit wie beim Thema Ernährung sind wir da noch nicht", findet er. Für ihn ebenso wie für die Slowflower-Aktivisten ist das einer der Gründe, um weiterzumachen.