Simone Lange nimmt Abschied vom Rathaus in Flensburg

Stand: 12.01.2023 05:00 Uhr

Nach sechs Jahren bereitet sich Simone Lange auf den Auszug aus dem Rathaus in Flensburg vor. In wenigen Tagen übernimmt ihr Nachfolger Fabian Geyer das Amt des Oberbürgermeisters.

von Simone Mischke

Simone Lange (SPD) läuft in ihrem Büro im zehnten Stock des Rathauses in Flensburg zwischen Schreibtisch, Regalen und zwei Umzugskartons hin und her. Sie trägt ein leuchtend rotes Jackett, dunkle Jeans. Das rötlich-braune Haar ist kurz geschnitten. Nach und nach packt sie ihre persönlichen Sachen zusammen: kleinere Geschenke, die sie im Lauf der Zeit bekommen hat, persönliche Dinge. Nicht alles passt in die Kartons. Links von ihrem Schreibtisch steht eine fast lebensgroße, schmale Frauenfigur aus Holz. Die hat sie während der Corona-Zeit bei einer Ausstellung erworben, die die Stadt für Künstlerinnen und Künstler organisiert hatte. "Die kommt jetzt mit nach Hause", sagt Simone Lange.

Die Wände zieren Bilder, die teils Leihgaben sind, teils ihr gehören: etwa die großformatige schwarz-weiß Fotografie einer Straßenszene in der Flensburger Norderstraße, ein Porträt von Helmut Schmidt. Während sie packt, perlt der Regen wie in Zeitlupe in dicken Tropfen an den Fenstern herunter - Flensburger Tristesse an einem grauen Januarmorgen. Eine Stimmung, die nur zum Teil die Gefühlslage der abgewählten Oberbürgermeisterin widerspiegelt, denn neben einem Hauch Melancholie ist auch viel fröhliche Aufbruchstimmung zu spüren. "Ich bin schon ein bisschen traurig, schließlich habe ich diese Aufgabe sehr gerne gemacht. Auf der anderen Seite bin ich froh, den Druck nicht mehr so spüren zu müssen. Auch wenn ich mich erst daran gewöhnen muss, von einer extrem hohen Taktung runterzufahren", erzählt Simone Lange.

2016 Durchmarsch ins Rathaus - 2022 Schluss in der Stichwahl

Vor sechs Jahren hatte sich die damalige Landtagsabgeordnete Simone Lange gleich im ersten Wahlgang gegen drei weitere Kandidaten durchgesetzt. Sie erreichte mehr als 51 Prozent der Stimmen und löste damit ihren Vorgänger Simon Faber (SSW) ab. Seitdem ist sie Chefin von rund 1.700 Köpfen in der Verwaltung in der Fördestadt mit rund 90.000 Einwohnern - als erste Frau in dem Amt.

Für eine zweite Amtszeit reichte es am 2. Oktober 2022 in der Stichwahl nicht. Sie hatte viel Zeit in den Wahlkampf investiert, natürlich. Auch eigenes Geld. Und es ging teils durchaus ruppig zu im Wahlkampf. Doch am Ende reichten die rund 11.000 Stimmen nicht, sich gegen ihren Konkurrenten Fabian Geyer (parteilos) durchzusetzen. "Natürlich war ich enttäuscht. Nicht nur für mich selbst. Ich hatte ja ein großes Team um mich, die haben monatelang alles gegeben. Aber ich bin dann auch eine Sportsfrau! Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Ihre blauen Augen blitzen. Die Flensburger haben entschieden, sagt sie, und das kann sie demokratisch annehmen.

Paukenschlag mit Kandidatur um SPD-Bundesvorsitz

Bundesweit bekannt wird Simone Lange 2018: Sie wirft ihren Hut um die Kandidatur als Bundesvorsitzende der SPD gegen die damalige amtierende Vorsitzende Andrea Nahles in den Ring. Der heutige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Grüne) sagt damals zu ihren Ambitionen: "Das Vorhaben von Simone ist so kühn, so mutig, so waghalsig, dass man einfach daneben steht und sagt: super Nummer, starke Frau, klasse Performance. Sie ist eine fröhliche, eine furchtlose Frau. Und Fröhlichkeit und Furchtlosigkeit kann die SPD gut gebrauchen."

Gut 27 Prozent der Stimmen erreicht Simone Lange aus dem Stand. Tritt 2019 erneut an, zieht dann aber zurück. Dazu der Flensburger Stadtpräsident Hannes Fuhrig (CDU): "Teile der Bevölkerung hat sie mit ihren bundespolitischen Ambitionen verunsichert." Ob es der Ausflug in die Bundespolitik war, der Simone Lange bei der Oberbürgermeister-Wahl Stimmen gekostet hat - unklar. Selbst wenn: Sie würde es genauso wieder machen, sagt sie. "Ich wollte ein Zeichen setzen, wie es eben nicht weitergehen kann in der SPD. Und die Kandidatur hat ja auch unglaublich viel ausgelöst. Das war deutlich, dass ich einen Nerv getroffen hatte."

Krone richten, weitermachen

Und überhaupt: Aufgeben ist sowieso nicht ihr Ding. "Krone richten, weitermachen", lautet ihre Devise, erzählt sie lachend. Jetzt geht es erst mal in die Rote Straße - kurze Mittagspause. Die hatte sie in den letzten sechs Jahren selten. "Aber wenn ich eine gemacht habe, dann gerne hier. Ich habe mich dann auch gerne mal in den Laden ganz nach hinten verkrümelt, ein Fischbrötchen gegessen und war dann mal ganz für mich allein." Fischbrötchen seien schließlich legendär in Flensburg und die Rote Straße ein markantes Zeichen der Stadt. "Das ist eine Wohlfühlzone für mich." Auch, wenn sie ständig angesprochen wird. Menschen wünschen ihr ein gutes neues Jahr. Manch einer hat noch gar nicht mitgekriegt, dass sie abgewählt wurde. Eine Frau ruft über die Straße: "Danke, dass Sie unsere Oberbürgermeisterin waren!" Das freut Simone Lange. "Es kommt so viel positiver Zuspruch. Dadurch fühlt es sich gar nicht an wie eine verlorene Wahl", sagt sie nachdenklich.

Schlüsselrolle bei der Zusammenlegung der Krankenhäuser

Neben der Roten Straße sind auch die beiden Krankenhäuser Diako und Malteser Orte, an denen Simone Lange etwas bewegt hat - beziehungsweise die sie bewegt haben. "Das war ja schon Thema, bevor ich Oberbürgermeisterin wurde. 2017 habe ich mit beiden Geschäftsführern in meinem Büro zusammengesessen und über eine Zusammenlegung gesprochen."

Dass die Fusion Realität geworden ist, aber auch das Schutzschirmverfahren der evangelischen Diako bringt zum Ende ihrer Amtszeit noch mal eine besondere Dynamik in das Geschehen. "Das ist eine extreme Herausforderung für die Diako. Umso wichtiger ist es jetzt, sich in ein gemeinsames, modernes Krankenhaus hinein zu entwickeln."

Bei der Fusion der beiden Häuser spielte Simone Lange eine entscheidende Rolle, ist der Geschäftsführer des Malteser Krankenhauses, Dr. Klaus Deitmaring, überzeugt. Besonders geschätzt hat er Simone Lange aber auch als Leiterin des Krisenstabs während der Pandemie. "Da hat sie eben auch unpopuläre Entscheidungen getroffen, etwa was den Lockdown angeht, die uns aber geholfen haben", so Deitmaring. Und: "Ostersonntag 2020 kam sie persönlich mit einem Osterhasen bei allen Mitgliedern des Krisenstabs vorbei. Sie war Leiterin mit Herz, Verstand und Fortune. Das schätze ich sehr an ihr!"

Auf das, was da noch kommt

Von den sechs Jahren als Oberbürgermeisterin musste Simone Lange drei Jahre eine Dauerkrise managen: erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine, explodierende Preise. Jetzt will sie sich erst mal rausnehmen aus dem Hamsterrad - genießen, die Zeit zu haben, sich in Ruhe überlegen zu können, was kommen soll. "Ehrenamtlich werde ich mich für Geflüchtete engagieren. Für alles andere lasse ich mir Zeit. Ich war in den letzten elf Jahren immer in der Öffentlichkeit, immer für alles zuständig. Das lege ich jetzt ab."

Sich zu konzentrieren auf vielleicht nur noch eine Sache, das wäre was. Ideen hat sie. Rennen ihr die Leute denn nicht mit Jobangeboten die Bude ein? Sie lacht. "Nein, nicht wirklich. Es ist halt einfach eine Aufgabe, die ich jetzt beende, so wie andere eine Aufgabe beenden." Klar ist nur: Simone Lange will in Flensburg bleiben. Leichten Herzens wird sie am Tag ihrer Verabschiedung nicht durch die Tür des Rathauses gehen, wohl aber den Luxus genießen, Zeit zu haben, zu entscheiden, was da noch kommt.

Weitere Informationen
Felnsburgs neuer Oberbürgermeister Fabian Geyer. © dpa-Bildfunk Foto: Axel Heimken

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 12.01.2023 | 19:30 Uhr

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