Die SeaWatch 5 liegt am Kai des Flensburger Industriehafens. © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
Die SeaWatch 5 liegt am Kai des Flensburger Industriehafens. © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
Die SeaWatch 5 liegt am Kai des Flensburger Industriehafens. © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
AUDIO: Sea-Watch 5: Rettungsschiff verlässt Flensburg (1 Min)

"Sea Watch 5" hat Flensburg verlassen

Stand: 09.10.2023 15:13 Uhr

Ein Verein hat das Schiff zehn Monate lang umgebaut, damit es im Mittelmeer Flüchtlinge aus Seenot retten kann. Es fährt unter deutscher Flagge - ein potentielles Druckmittel, sollte das Schiff festgesetzt werden.

von Peer Axel Kroeske

Nach fast einem Jahr hat das Rettungsschiff "Sea Watch 5" Flensburg verlassen. Es soll künftig im Mittelmeer Flüchtlinge aus Seenot retten. Am Sonntag traf die "Sea Watch 5" zu einem Zwischenstopp in Rotterdam ein, um Diesel zu bunkern. Die Route kann im Internet live verfolgt werden. Die Stadt Flensburg hatte dem Schiff seit November 2022 einen kostenfreien Liegeplatz bereit gestellt. Ehrenamtliche machten das ehemalige Versorgungsschiff für Öl- und Windkraftplattformen fit für die geplanten Rettungseinsätze.

Strengerer Brandschutz verzögerte die Arbeiten

Ursprünglich sollte das Schiff schon im Frühjahr auslaufen. "Letzten Endes konnten wir alle Anforderungen der deutschen Flagge und der Klassifizierungsgesellschaft erfüllen. Probleme hatten wir vor allem mit Brandschutz", sagte Stephan Born, der die Arbeiten am Schiff koordinierte. Zuvor war das Schiff in Gibraltar registriert gewesen. Der Wechsel der Flagge hat einen wichtigen Grund. "Es hat den Vorteil, dass man politisch ein etwas größeres Druckmittel hat, wenn man tatsächlich festgesetzt wird", so Born.

Deutsche Flagge ist Politikum

Genau das passierte dem Vorgängerschiff "Sea Watch 3" im vergangenen Jahr in Italien. Es wurde inzwischen stillgelegt und in Belgien abgewrackt. Das kleinere, schnelle 14-Meter-Boot "Aurora" kann derzeit die italienische Insel Lampedusa nicht verlassen. Die Flagge ist ein Politikum. Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi ist der Ansicht: "Das Land, auf dem das Schiff kommt, muss sich auch um die Flüchtlinge kümmern."

Erhöhtes Achterdeck, Hospital, Lagerräume

Die ehrenamtlichen Helfer in Flensburg erhöhten das Deck um 30 Zentimeter, damit sich dort weniger Wasser sammelt. Zudem installierten sie ein großes Segel auf dem Achterdeck, um die Geretteten vor Sonne und Regen zu schützen. Sechs Toiletten und Duschen stehen bereit, ebenso Container für mehr Lagerraum. Für die medizinische Versorgung wurde ein so genanntes Hospital mit zwei Betten eingerichtet. Vorbereitet ist die Crew auf chemische Verbrennungen: "Benzin, Urin und Salzwasser ätzen die Haut weg," erklärt Born. Hinzu kommt ein gesonderter Aufenthaltsbereich für erkrankte Menschen, sowie für Frauen und Kinder. Zudem wurden die Vibrationen des Motors gedämpft.

87 x 87 Zentimeter pro Person

Ein Einsatz wurde in Flensburg mit 350 Beteiligten bereits geübt. Eine halbe Stunde hatten die Helfer Zeit, alle aufzunehmen. Zertifiziert ist das Schiff jetzt für 335 Menschen. Eine Fläche von 0,75 Quadratmetern pro Person gilt als Mindestmaß. Bei einem Notfall könne die Passagierzahl auch überschritten werden, sagt Born. Die Crew soll aus rund 30 Helfern bestehen.

Verursachen Seenotretter Seenot?

Das Bündnis United4Rescue, gegründet auf Initiative der evangelischen Kirche, wurde in Deutschland 2022 erstmals staatlich gefördert. Doch das Thema ist umstritten. Ein Hauptkritikpunkt: Flüchtende besteigen Boote, die niemals in der Lage wären, das Mittelmeer zu überqueren. Sie setzen allein darauf, von den Seenotrettern aufgenommen zu werden und begeben sich erst dadurch in Lebensgefahr. Stephan Born meint dazu: "Das Schiff fährt ein Suchmuster 24 Seemeilen vor der Küste außerhalb der libyschen Gewässer. Die Annahme, dass mehr Boote losfahren, wenn diese Schiffe in der Nähe sind, ist aber ganz klar widerlegt."

Flüchtlingsboote wären nicht in der Lage, das Mittelmeer zu überqueren

Born verweist auf Studien dazu: "Die Leute sind so verzweifelt, dass sie sich quasi im Angesicht des Todes auf diese Reise begeben - egal, ob da jetzt Rettungsschiffe in der Nähe sind oder nicht. Und im Prinzip ist eigentlich jedes dieser Boote, wenn es losfährt, ein Seenotfall, weil die allermeisten gar nicht in der Lage wären, das andere Ufer zu erreichen." Ende Oktober oder Anfang November rechnet die Crew der Sea Watch 5 mit den ersten Einsätzen im Mittelmeer.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 09.10.2023 | 08:30 Uhr

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