Terrorverdächtiger vom IS entführt?
Im Fall der in der vergangenen Woche in Schleswig-Holstein festgenommenen Terrorverdächtigen meldet sich erstmals die Familie eines der Verdächtigen zu Wort. Reportern von Panorama 3 ist es gelungen, mit der Familie des 17 Jahre alten Mahir al-H. in Kontakt zu treten.
Vom IS entführt?
Die Kontaktaufnahme beginnt über Facebook. Mehrere Tage lang versucht Panorama 3, Vertrauen zur Schwester von Mahir al-H. aufzubauen. Sie ist vor dem Krieg in Syrien geflohen, lebt mittlerweile im Libanon. Von der Festnahme ihres jüngsten Bruders erfährt sie erst von Panorama 3. Doch was sie über ihren Bruder erzählt, klingt anders, als das, was die deutschen Behörden in der vergangenen Woche öffentlich gemacht haben: So sei Mahir östlich von Aleppo von Kämpfern des IS entführt worden. "Die Leute vom IS sind von Haus zu Haus gezogen, in der ganzen Gegend. Und aus jedem Haus haben sie einen Jugendlichen mitgenommen, gegen den Willen der Familien. Mahir war der Jüngste bei uns. Sie haben ihn einfach mitgenommen. Es gab nichts, was wir hätten tun können."
Erst als Mahir so tut, als stehe er auf Seiten des IS, habe er sich freier bewegen können. Zusammen mit seiner Familie sei er dann in den Libanon geflohen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft habe ihn weiter nach Deutschland getrieben. Auf Anfrage wollte sich die Bundesanwaltschaft nicht zu diesen Aussagen äußern.
Schläfer des IS?
Mahir al-H. war am vergangenen Dienstag in einer Flüchtlingsunterkunft in Großhansdorf festgenommen worden. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes sollen er und der in Ahrensburg festgenommene Mohamed A. (26) sowie der in Reinfeld festgenommene Ibrahim M. (18) dringend verdächtig sein, im Auftrag des IS nach Deutschland gekommen zu sein, um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten.
Vom falschen Namen nach der Verhaftung erfahren
Auch weitere Menschen aus dem Umfeld der Verdächtigen zeigen sich von der Verhaftung der Männer überrascht. Panorama 3 sprach unter anderem mit dem Zimmernachbarn des in Reinfeld festgenommenen Ibrahim M. (18). "Er war großzügig, er liebte die Menschen. Er war sehr aufgeschlossen. Er hatte nie irgendwelche Probleme mit jemandem." Dass Ibrahim M. in der Unterkunft unter dem falschen Namen Yasser Al Ahmad lebte, sei dem Freund und Zimmernachbarn erst nach der Festnahme klar geworden. Ähnlich überrascht war Sarah (Name von der Redaktion geändert), die erst kürzlich eine Liebesbeziehung mit dem in Ahrensburg festgenommenen Mohamed A. (26) eingegangen war. In einem Chat an seine Freundin schrieb Mohamed A. in gebrochenem Deutsch: "Ich bin immer lieb und ich liebe die Treue Mensch." Sarah stand offenbar bis zuletzt in Kontakt mit Mohamed A. "Wir haben noch ein paar Mal geschrieben bis abends und dann kam nichts mehr. Ich hab nur durch Zufall gehört, dass er verhaftet wurde. Das war erst mal ein Schock für mich. Das konnte ich gar nicht fassen und ich habe auch bis jetzt nicht so recht geglaubt, dass er das sein kann. Das geht nicht in meinen Kopf rein."
Verbindung zu IS-"Tour-Operator"?
Am vergangenen Freitag berichtete das französische Nachrichtenmagazin "L'Express", die drei Verdächtigen hätten deutschen Ermittlern bestätigt, sich an der syrisch-türkischen Grenze getroffen zu haben. Man sei dann gemeinsam weitergereist. Das Magazin berichtet weiter von der Verbindung des Verdächtigen Ibrahim M. zu Abu Ahmad. Dieser gilt als eine Art "Tour-Operator" des IS. Abu Ahmad soll regelmäßig Geld über Western Union überweisen. Am 26. November 2015 habe Ibrahim M. eine WhatsApp-Nachricht von Abu Ahmad bekommen: "Sage M., dass die Überweisung in einer Stunde ankommt." An einem anderen Tag soll Ibrahim M. geantwortet haben: "Schau, wir sind in einem Heim in der Umgebung von Hamburg. Wir sind in Kellinghusen."
Die Auswertung von Telefondaten hatte die Ermittler auf die Spur der drei mutmaßlichen Terroristen gebracht. Alle drei wurden am vergangenen Dienstag in Schleswig-Holstein festgenommen. Die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft dauern an.