Sasol in Brunsbüttel will Fliegen sauber machen
Bei Sasol in Brunsbüttel arbeiten Chemiker aktuell daran, die Produktion von grünem Kerosin zu steigern. Bei der Produktion kommen Katalysatoren zum Einsatz. Diese will das Unternehmen optimieren.
Neuer Auftrag für die Sasol-Forschungsabteilung in Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen): In den kommenden drei Jahren soll eine Gruppe um Dr. Dirk Schär die Grundlage für eine effizientere Kerosinproduktion liefern. Der Konzern will in Zukunft aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid klimaneutrales Flugbenzin produzieren. Den Wasserstoff will Sasol mit Solar- und Windstrom herstellen. Das Kohlenmonoxid wird aus Kohlendioxid gewonnen, das Sasol aus der Luft entnimmt. Um daraus grünes Kerosin zu produzieren, braucht der Chemiegigant neue Katalysatoren. Ein Teil dieser Katalysatoren wird in Brunsbüttel entwickelt. In herkömmlichen Anlagen, in denen Kerosin mit Gas produziert wird, liegt die Ausbeute zwischen 50 und 70 Prozent. "Unser Ziel bei der grünen Produktion sind aber 80 Prozent", sagt Schär.
Bund fördert Forschung mit 30 Millionen Euro
Bisher produziert Sasol an mehreren Standorten Kerosin mit Gas, will aber in drei Jahren mit neuen Anlagen in die grüne Produktion einsteigen. Denn schon jetzt steigt die Nachfrage nach grünem Kerosin. Um möglichst schnell möglichst viel grünes Kerosin zu produzieren, hat Sasol eine deutsch-südafrikanische Forschungskooperation (CARE-O-SENE) gegründet. Neben Universitäten und Start-ups gehören auch das Fraunhofer Institut in Dresden und das Helmholtz-Zentrum in Berlin zur Forschungsgruppe. "Wir bündeln unser Knowhow und kommen schneller zum Ziel", hofft der Projektleiter. Als Bundeskanzler Scholz und Südafrikas Präsident Ramaphosa das Unternehmen in Südafrika besuchen, verspricht Bundeskanzler Scholz 30 Millionen Euro Fördergelder.
Zukunft der Kerosinproduktion entscheidet sich in Brunsbüttel
Im Wettlauf gegen den Klimawandel spielt Brunsbüttel in der Welt eine entscheidende Rolle. Und eine Hauptrolle bei der Entwicklung der neuen Katalysatorgeneration spielt Dr. Angela Siegel. "Wasserstoff und Kohlenmonoxid - wenn man die zusammenbringt, dann passiert erst mal gar nichts. Vereinfacht gesagt, egal, ob Sie es mit Druck, Hitze oder wie auch immer versuchen", erklärt die Chemikerin, die seit sieben Jahren bei Sasol in der Forschungsabteilung arbeitet. "Sie können eine Reaktion im Reaktor nur mit Katalysatoren auslösen. Erst dann bekommen wir das Kerosin." Der Katalysator besteht größtenteils aus Aluminiumoxid. Und mit diesem Trägermaterial arbeitet Sasol in Brunsbüttel seit Jahrzehnten.
Spaghetti, Kügelchen oder Tabletten
Das Team um Dr. Siegel stellt im Technikum in Brunsbüttel verschiedene Formen aus dem Trägermaterial her. Aus einer zähen, weißen Masse - einem Aluminiumoxidteig, den sie im Kneter produziert hat - formt eine Maschine Stränge, die wie Spaghetti aussehen. Eine andere Maschine stellt Tabletten und Kügelchen her. "Wir werden anhand der Tests dann entscheiden, mit welcher Form wir die beste Ausbeute haben, um Kerosin herzustellen", erklärt die Forscherin.
Je besser die Struktur, desto mehr Kerosin
Es kommt aber nicht nur auf die Form an, auch das Innere des Materials entscheidet über den Erfolg, die Porenstruktur im Material. "Es ist wichtig, dass wir bestimmte Porengrößen im Katalysatorträger haben. In den Kügelchen befinden sich ganze Straßensysteme, darunter auch unerwünschte Einbahnstraßen." Bei der Reaktion fahren Wasserstoff und Kohlenmonoxid in dieses Straßensystem aus Aluminiumoxid hinein, es bildet sich Kerosin. "Das Rohkerosin muss dann aber auch austreten können. Was ich deshalb gar nicht brauchen kann, sind Einbahnstraßen. Dann kommt es nicht mehr heraus." Es ist ihr Forschungsgebiet, dieses System von Poren und Straßen im Trägermaterial optimal einzustellen. Je weniger Einbahnstraßen, desto mehr Kerosin.
Große Prozesse frühestens 2030
Sasol testet die Katalysatoren am Fraunhofer Institut und in der größten Pilotanlage der Welt in Südafrika. In ersten Versuchen werden dort bis zu zwei Tonnen mit Kobalt präparierte Aluminiumoxid-Kügelchen in den Reaktor eingeführt. "Der nächste Schritt ist der Maßstab von zehn bis 100 Tonnen. Parallel dazu müssen wir die Anlagen ausbauen, damit wir dann 2030 bis 2035 große Prozesse anfahren können", beschreibt Dr. Dirk Schär die nächsten Schritte. Später, in der kommerziellen Produktion, kann die Menge auf 300 bis 400 Tonnen wachsen.
CO2-neutral fliegen bis 2050
Bis 2050 soll Fliegen sauber sein. Darauf hatten sich die Mitgliedsländer der Internationalen Zivilluftfahrorganisation ICAO der Vereinten Nationen geeinigt. Nach dem Willen der EU soll ab 2025 den Flugzeugen zwei Prozent nachhaltiger Flugkraftstoff beigemischt werden. Der Anteil soll bis 2050 auf 85 Prozent steigen. Dafür werden enorme Mengen benötigt. Der Vorteil: Die Flugzeuge müssen für den grünen Treibstoff nicht umgerüstet werden. Der Nachteil: Noch ist der grüne Treibstoff zu teuer. Die Lösung: Hochfahren der grünen Produktion. Je größer die produzierte Menge, desto günstiger wird es. Unternehmen wie Sasol müssen liefern. Allein in Deutschland werden pro Jahr zehn Millionen Tonnen Kerosin verflogen. Geplant sind Produktionsstätten nahe des Frankfurter Flughafens und in Hamburg Billbrook. Auch an diesen Projekten ist Sasol direkt und indirekt beteiligt und genau dort kommen die neuen Turbo-Katalysatoren zum Einsatz. Im Technikum in Brunsbüttel entscheidet sich demnach, wie schnell die Luftfahrt sauberer wird.
Spaß am Ausprobieren
Die Forschung in Brunsbüttel steht noch ganz am Anfang. Wichtig ist auch, dass die Katalysatoren langlebig sind. "Wir müssen sie auch regenerieren können, auch das ist ein Forschungsziel." Dr. Angela Siegel lässt keinen Zweifel aufkommen, dass diese Entwicklung gelingt. Schließlich haben sie eine langjährige Erfahrung und nach ersten Versuchen gibt es erste Indizien. Forschung, sagt sie, ist aber auch ausprobieren. "Und das macht mir einfach großen Spaß." Und der soll bei dieser komplexen Aufgabe schließlich nicht zu kurz kommen.