Quereinstieg: Von der Spedition in die Verwaltung
In vielen Kommunalverwaltungen fehlt Personal. Deshalb werden in Schleswig-Holstein immer öfter Quereinsteiger eingestellt. Geschätzt werden sie für ihr Engagement und den frischen Blick von außen.
Überlastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Anträge, die monatelang nicht bearbeitet werden: In vielen Kommunalverwaltungen reicht das Personal vorne und hinten nicht. In Lübeck beispielsweise gehen in den nächsten 15 Jahren rund 40 Prozent der Mitarbeitenden in Rente, gleichzeitig würden die Aufgaben immer umfangreicher, sagt Nicole Dorel, Sprecherin der Stadt Lübeck. Die Hansestadt und auch andere Städte wie Kiel, Neumünster, Ratzeburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) und Norderstedt (Kreis Segeberg) setzen deshalb auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger.
Das heißt: In Stellengesuchen werden nicht mehr nur Verwaltungsfachangestellte gesucht. Immer öfter wird in den Inseraten alternativ eine "vergleichbare Ausbildung" gefordert, je nach Aufgabe ein Studium oder eine kaufmännische Ausbildung.
Weniger Geld, mehr Planbarkeit
Quereingestiegen ist auch der gelernte Speditionskaufmann Mårten Eklund. Er arbeitet im Bürgerbüro der Gemeindeverwaltung Stockelsdorf (Kreis Ostholstein). Sein Sohn brachte Mårten Eklund darauf, seinen früheren Job in einer Speditionsfirma an den Nagel zu hängen: "Er hat mich gefragt, ob er einen Termin mit mir machen müsste, damit ich Zeit für ihn habe. Da war er sechs Jahre alt." Viele Bereitschaftsdienste, das Diensthandy immer im Blick, zahlreiche Überstunden: Mårten Eklund wollte das nicht mehr. Er bewarb sich auf gut Glück bei der Gemeindeverwaltung in seinem Wohnort Stockelsdorf. Mit Erfolg: Heute verdient er zwar weniger, dafür sind seine Arbeitswochen planbarer: "Wenn Feierabend ist, ist Feierabend."
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Eine Weiterbildung an der Verwaltungsakademie Bordesholm brachte ihn in rund drei Monaten auf den Wissensstand eines Verwaltungsfachangestellten. Der Lehrgang war nötig, um im Bürgerbüro arbeiten zu können. Dort stellt er heute Ausweise aus und meldet Bürgerinnen und Bürger um. Die Weiterbildung war herausfordernd für den 43 Jahre alten gebürtigen Schweden, besonders die Arbeit mit den Gesetzestexten: "Deutsch ist nicht meine Muttersprache - und da musste ich auch noch Beamtendeutsch lernen."
Doppelt so viele Teilnehmende in "Quereinsteiger-Kursen" an der Verwaltungsakademie
Den Trend zu mehr Quereinsteigern in Verwaltungen bestätigt auch die Verwaltungsakademie Bordesholm. Laut Studienleiter Florian Gröblinghoff haben im vergangenen Jahr 120 Menschen am "Angestelltenlehrgang 1" teilgenommen, der für besondere Verwaltungsaufgaben qualifiziert. Das sind rund doppelt so viele wie im Vorjahr.
Wer in technischen Berufen im öffentlichen Dienst arbeitet, sei in der Vergangenheit schon öfter in die Verwaltung gewechselt und habe dafür diese Kurse besucht, sagt Florian Gröblinghoff. In den letzten Jahren seien allerdings immer mehr Teilnehmende dabei, die aus verwaltungsfernen Berufen kommen und auch vorher keinen Kontakt mit dem öffentlichen Dienst hatten.
Kollegen schätzen "frischen Blick" der Quereingestiegenen
Den Tag absitzen, Kaffee trinken und plaudern: Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels hat das Klischee vom Arbeitsalltag in Verwaltungen nichts mit der Realität zu tun. Auch in der Gemeindeverwaltung Stockelsdorf dreht Mårten Eklund keineswegs Däumchen, sagt er. "Wir haben viele Abstimmungen und müssen Zahlen erreichen, es gibt aber nicht den Zahlendruck wie im Vertrieb."
Rund die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen dort, darunter auch Bürgermeisterin Julia Samtleben, hat keine Verwaltungsausbildung. Standesbeamtin Ute Wetendorf hat noch den klassischen Weg gegangen - die Qualitäten der Quereinsteiger schätzt sie sehr, sagt sie: "Dass sie einen Blick von außen mitbringen und dieses sture Verwaltungsdenken nicht haben, erweitert den Horizont auch für uns."
Paare verheiraten: Für Mårten Eklund das Schönste
Wenn Mårten Eklund nicht im Bürgerbüro sitzt, hat er noch eine weitere Funktion: er traut als Standesbeamter Paare. Dass er damit in einer Verwaltung seinen absoluten Traumjob findet, hätte er vor seinem Quereinstieg nicht zu träumen gewagt: "Beim schönsten Tag anderer Menschen dabei zu sein - das gibt es wohl in keinem anderen Beruf."
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