Plastik im Meer: Geomar ist kleinsten Teilchen auf der Spur
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Geomar in Kiel untersucht im Nordatlantik die Plastikverschmutzung. Die Frage ist: Wo landen die meisten Teilchen? Die Crew nahm fast 150 Wasserproben.
Plastik: Erst seit gut 70 Jahren benutzen wir Kunststoffe - heute verschmutzen gut 150 Millionen Tonnen Plastik die Ozeane. Diese Menge nimmt stetig zu, denn Kunststoff zerfällt nur langsam. Aktuelle Modellrechnungen zeigen, dass nur etwa ein Prozent des Plastiks an der Meeresoberfläche nachgewiesen werden kann, wo es aufgrund seines Auftriebs schwimmen sollte. Am Meeresboden findet sich etwa 10.000 mal mehr. Doch wie genau kommt es dorthin?
Geomar untersucht Meeresschnee
Dieser Frage nach dem "fehlenden Plastik" ist ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel nachgegangen. Im Oktober veröffentlichten sie erste Forschungsergebnisse nach Untersuchungen im Nordatlantik. Und ihre Ergebnisse bestätigten, was schon in der Theorie vermutet wurde: Winzige Plastikteilchen - zwischen 0,01 und 0,1 Millimeter groß - werden Teil des sogenannten Meeresschnees. Das ist organisches Material, das im Wasser nach unten sinkt und als Nahrung für Plankton und größere Tiere dient. Weitere Untersuchungen dazu sind laut Geomar wichtig, um die Ozeane vor der Plastikverschmutzung und den damit verbundenen Risiken für das Leben im Meer, das Nahrungsnetz und den Stoffkreislauf zu schützen.
Wasserproben von der Elbe bis zur Themse
Aus diesem Grund war Anfang Februar eine internationale Crew mit dem Forschungsschiff Alkor von Kiel aus in der Nordsee unterwegs. Dr. Luisa Galgani ist Hauptautorin der Studie "Mikroplastikflüsse im Nordatlantik" und war nun eine Woche an Bord der Alkor. Sie und die Crew nahmen fast 150 Wasserproben nahe den Mündungen von Elbe und Themse, um zu untersuchen, wie hoch die Plastikkonzentration im Meer nahe den Flüssen ist. Denn 80 Prozent des Plastiks wird vom Land über die Flüsse ins Meer transportiert. "Plastik ist ein unnatürliches Material, von dem wir nicht wissen, was es mit dem gesamten Meeresökosystem macht", sagt die Forscherin. Sie ist Marie Curie Global Fellow am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Harbor Branch Oceanographic Institute der Florida Atlantic University (USA).
Auswirkungen auf die Nahrungskette
In der Nordsee hat sie an fünf verschiedenen Punkten in fünf Metern Tiefe spezielle Sedimentfallen ausgelegt, die häufig in der Ozeanforschung eingesetzt werden, um Wasserproben zu entnehmen. Damit konnte eine große Menge an Meeresschnee gesammelt werden. Dieser wird nun im Labor untersucht. Dass Plastik im Meeresschnee zu finden ist, hat ganz unterschiedliche Auswirkungen. Zunächst ernähren sich Lebewesen wie Plankton von dem Meeresschnee, sodass damit Plastikteilchen in die Nahrungskette kommen. Doch die Auswirkungen gehen laut Galgani noch weiter: "Es gibt eine potenzielle Bedrohung. Diese kleinen Partikel haben einen Biofilm um sich, Mikroorganismen wie Bakterien, die giftig oder resistent gegen Antibiotika sein könnten. Und die können sich überall verteilen. Damit könnten die Plastikteilchen als Transportmittel dienen und die resistenten Bakterien über den ganzen Ozean verteilen."
Weitere Forschungsfahrt geplant
Mikroplastik dringe über den Meeresschnee außerdem in den natürlichen marinen Kohlenstoffkreislauf ein, sagt Galgani. Denn das im Meeresschnee enthaltene CO2 wird durch Pflanzen und Tiere weiterverarbeitet und am Meeresboden gebunden. Welche Auswirkungen das auf die Umwandlung von Kohlenstoff im Meer und damit auf den Klimawandel hat, soll nun noch weiter untersucht werden. Im Sommer wird die nächste Forschungsfahrt dazu mit der Alkor stattfinden - die Untersuchungen sollen dann wiederholt werden.