Öffentlicher Dienst: Wettbewerb um Fachkräfte
Offene Lehrerstellen, Personalmangel in Behörden - der Fachkräftemangel trifft auch den öffentlichen Dienst hart. Und wird mit dem Abgang der Babyboomer noch härter.
Die Lücke kommt näher. Volker Kath, Geschäftsführer Interner Service bei der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit (BA), rechnet damit, dass in den kommenden zehn Jahren 20 bis 30 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ausscheiden werden. "Wir haben einen hohen Anteil an Babyboomern, wir haben einen hohen Anteil an lebensälteren Menschen auch in der öffentlichen Verwaltung."
Und die werden absehbar in den Ruhestand gehen. Am höchsten sei der Anteil der Älteren - und damit die erwartete Lücke - laut Kath in der Bauverwaltung, am vergleichweise geringsten in der Polizei.
Digitalisierung nicht in allen Bereichen möglich
Das Problem betrifft Volker Kath als Personalchef für den Norden auch ganz direkt: Denn auch die Bundesagentur für Arbeit selbst steuert auf eine Fachkräftelücke zu. Das Problem: Alles digitalisieren kann man dort nicht. Denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen persönlich beraten werden.
Studie sieht große Lücken
Eine Studie des Prognos-Instituts hat die erwartete Fachkräftelücke in Schleswig-Holstein fürs Jahr 2030 errechnet. Fazit: In vielen für den Klimaschutz wichtigen Berufen wird Personal fehlen. Aber auch der öffentliche Dienst ist betroffen. In der Gruppe der Erzieherinnen und Sozialarbeiter etwa drohen Lücken: Laut Studie werden in diesem Bereich 11.000 Beschäftigte fehlen - und damit 14 Prozent des Bedarfs.
Madsen: Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst eklatant
Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) hat die Studie in Auftrag gegeben. Er weiß, "dass auch die Fachkräftelücke im öffentlichen Dienst eklatant ist". Das gilt laut Madsen nicht nur für sein eigenes Ministerium. Dort bedürfe es "immer größerer Anstrengungen, im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft Fachleute zu gewinnen."
Noch drastischer sei die Situation demnach beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr: "Hier sind von knapp 1.300 Stellen aktuell 100 unbesetzt - besonders gesucht werden Ingenieure und Techniker. Aber auch Straßenwärter oder Auszubildende für ein duales Studium werden händeringend gesucht."
Wer gewinnt das Rennen?
Der Wettbewerb um die Fachkräfte läuft also. Kann der öffentliche Dienst da überhaupt mithalten? Für Volker Kath von der Regionaldirektion Nord hängt das vor allem von der Attraktivität des jeweiligen Jobs ab. Aus seiner Sicht kann der öffentliche Dienst viel bieten. Er wirbt für die BA: "Man kann durch Gleitzeit und Homeoffice Berufliches und Privates hervorragend miteinander verbinden."
Nicht bei allen Berufsbildern mag das zutreffen. Aber auch die Sicherheit im öffentlichen Sektor nennt Kath als Vorteil - oder die Aussicht auf Verbeamtung. Das Geld hält er jedenfalls nicht für den entscheidenden Faktor. "Geld motiviert nach meiner Wahrnehmung die wenigsten Bewerberinnen und Bewerber."
Arbeitsmarktexperte: Staat kann bei Gehältern oft nicht mithalten
"Attraktivität ist ein Gesamtpaket", sagt auch Dominik Groll vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Typischerweise könne der Staat bei den Gehältern nicht mit der Privatwirtschaft mithalten. Die Arbeitsbedingungen könne er aber verbessern.
Aus Sicht des Beamtenbundes ist dabei noch Luft nach oben. Der Landesvorsitzende Kai Tellkamp bemängelt, dass viele Berufsgruppen überlastet seien: "Es geht sogar so weit, dass in verschiedenen Berufsgruppen eine Teilzeitbeschäftigung nicht nur etwa aus familienbedingten Gründen, sondern insbesondere auch zur Wiederherstellung der Work-Life-Balance angestrebt wird." Bei Lehrkräften, im Rettungsdienst und bei Beschäftigten in Kindertagesstätten sei das etwa der Fall, so Tellkamp.
Verwaltung vs. freie Wirtschaft
Der Fachkräftemangel bedroht das Wirtschaftswachstum. Und er betrifft fast alle Branchen, berichtet der Arbeitsmarktexperte Groll. Das, was als Personmangel heute schon zu spüren ist, sei erst der Anfang: "Unseren Schätzungen zufolge hat das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland im laufenden Jahr oder vielleicht noch im nächsten Jahr seinen Zenit erreicht und danach sinkt es alterungsbedingt."
Umso schärfer wird der Wettbewerb um die Fachkräfte. Dominik Groll meint, dass es nicht in allen Bereichen sinnvoll ist, mehr Personal in den öffentlichen Dienst zu locken: Bei Polizei oder Bildung sei es wichtig, dass ausreichend Personal zur Verfügung stehe. "Aber man muss auch sagen, dass die Verwaltung und andere Bereiche sehr groß geworden sind und dementsprechend natürlich auch Arbeitskräfte einsetzen, die dann in der Privatwirtschaft fehlen."
Groll fordert, der Staat müsse sich überlegen, "ob er nicht manche Funktionen aufgibt oder zumindest Prozesse so verschlankt, dass weniger Arbeitskräfte gebraucht werden". Etwa bei Genehmigungsverfahren im Bau, die sehr personalintensiv seien.
Polizei: Weniger Nachwuchs, aber bessere Leistungen
Bei Polizei oder Schule ist das Land aber auf Personal angewiesen und schafft neue Stellen. Um sie auch besetzen zu können, laufen diverse Initiativen. Für die Kitas etwa gibt es zusätzliche Ausbildungsplätze. Quereinsteigern soll der Zugang zum Job erleichtert werden. Das Bildungsministerium hat einen "Handlungsplan Lehrkräftegewinnung" auf den Weg gebracht. Bei der Polizei setzt das Innenministerium auf eine bessere Ausstattung der Einsatzkräfte und stellt vorsorglich etwa 20 Prozent mehr Anwärterinnen und Anwärter ein - sodass es keine Lücken gibt, falls jemand kündigt oder die Ausbildung abbricht.
Kai Tellkamp vom Beamtenbund würde sich wünschen, dass Politik und Arbeitgeber die Aufgaben und den bürokratischen Aufwand für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst reduzieren. Und auch mehr zahlen.
Ob die Maßnahmen wirken und wie groß die Lücke am Ende ausfällt, wird Volker Kath von der Regionaldirektion Nord der Arbeitsagentur aus dem Ruhestand verfolgen. Denn er selbst gehört zu denen, die in den kommenden Jahren pensioniert werden.