Notruf aus Stelle-Wittenwurth: Seniorenheim ohne Hausarzt
Seit April hat das Seniorenheim in Stelle-Wittenwurth (Kreis Dithmarschen) keine feste hausärztliche Versorgung mehr. Ein Arzt aus dem rund 30 Kilometer entfernten Schwabstedt hilft aus. Doch das ist keine Dauerlösung.
"Wir haben hier keine Jugendherberge. Das ist ein Seniorenheim. Wir müssen die ärztliche Versorgung sicherstellen, damit es den Menschen für den Rest ihres Lebens noch gut geht", sagt der Leiter vom "Haus Landblick" in Stelle-Wittenwurth, Hans-Dieter Tödter. Ihm ist am 1. April der Hausarzt abgesprungen. Der Mediziner war Angestellter im Ärztezentrum Lunden und hat dort gekündigt. Das Ärztezentrum hat bislang keinen Nachfolger für ihn gefunden und kann deshalb nicht mehr das Seniorenheim in Stelle-Wittenwurth bedienen. 16 Patientinnen und Patienten sind davon betroffen.
Rettungsdienst fährt für Kleinigkeiten vor
Blutdruck messen, neue Rezepte ausstellen, Visiten. Mindestens einmal pro Woche muss ein Hausarzt in das Seniorenheim kommen, damit die Bewohnerinnen und Bewohner grundlegend medizinisch versorgt sind. Die Kündigung vom bisherigen Hausarzt ist der Einrichtung anderthalb Monate im Voraus mitgeteilt worden. "Wir haben im Umkreis von 20 Kilometern sämtliche Ärzte angerufen. Und es ist wirklich keiner mehr bereit zu fahren. Die sind alle so überlastet", berichtet Tödter. Als Zwischenlösung hat er nun einen Hausarzt aus dem rund 30 Kilometer entfernten Schwabstedt gewinnen können. Er greift dem Seniorenheim nun erst einmal unter die Arme. Wie lange, ist aber unklar.
Wenn es einem Bewohner in Stelle-Wittenwurth kurzfristig mal nicht gut geht, ruft das Team vom Seniorenheim aus Verzweiflung den Rettungsdienst, sagt Tödter: "Es bleibt uns nur der Rettungswagen, manchmal für Lappalien, dass ist das Schlimme. Denn der Rettungswagen wird ja anderweitig wirklich dringender gebraucht." Dass Menschen mit Beschwerden, die ein Hausarzt behandeln kann, in der Notaufnahme landen, ist für das Westküstenklinikum Heide (WKK) schon seit Jahren ein großes Problem. Auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein bestätigt ein WWK-Sprecher: "Wir müssen zunehmend Patienten versorgen, die in eine (Haus-)Arztpraxis gehören. Ob man die Kausalkette direkt auf den Hausarztmangel zurückführen kann, ist schlussendlich unklar", sagt Zumindest im Fall des Seniorenheims in Stelle-Wittenwurth lässt es sich auf den Hausarztmangel in Dithmarschen zurückführen.
Niemand kann Nachwuchs zwingen, Landarzt zu werden
Die kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ist dafür verantwortlich, dass genügend Stellen in den jeweiligen Kreisen ausgewiesen werden. In Dithmarschen sind demnach zurzeit insgesamt sechs Stellen unbesetzt. Genug Platz für neue Niederlassungen gibt es also. Nur kann niemand die Nachwuchsmediziner dazu zwingen, Landarzt in Dithmarschen zu werden. Der Seniorenheimleiter aus Stelle-Wittenwurth schreibt in einer Mail an die Ärztekammer: "Wir sind an unsere Grenzen gestoßen. Was sollen wir tun?". Kurzfristig hat die Kammer für das Problem auch keine Lösung parat.
Das Versorgungssystem muss laut Kammer in Zukunft anders aufgestellt werden. Denn der Hausärztemangel wird sich nach Einschätzung des Präsidenten Henrik Herrmann noch weiter zuspitzen. Die Menschen werden immer älter und brauchen längere Zeit einen Arzt. Deswegen müssen nach seiner Ansicht auf dem Land die Gesundheitsfachberufe stärker etabliert werden. Denn nicht jede Behandlung muss zwingend ein Arzt durchführen. Die Last muss laut Ärztekammer zukünftig auf mehrere Schultern verteilt werden.