Mit dem Rad durch den Herbst in SH
Laura Albus nimmt uns mit auf ihrer Radreise quer durch Schleswig-Holstein. Sie will vom südlichsten zum nördlichsten Punkt des Landes gelangen. In ihrem Reisetagebuch lässt sie uns teilhaben.
Tag 1: "Und was nehme ich mit?"
Der Platz auf dem Rad ist begrenzt. Zwei Mal 20 Liter – alles, was nicht in die beiden Taschen für den Gepäckträger passt, muss zu Hause bleiben. Das war zumindest mein Plan - und klappt auch im Sommer ohne Probleme. Aber es ist Herbst und deshalb nehme ich deutlich wärmere und damit auch dickere Kleidung mit. Snacks und Wechselkleidung müssen in einen Rucksack wandern.
Kameramann Jorrit Groth, der mich die gesamte Reise über begleitet, und ich starten zum Sonnenaufgang gegen acht Uhr - am südlichsten Punkt Schleswig-Holsteins bei Lauenburg (Kreis Herzogtum Lauenburg). Just als die ersten Regentropfen vom Himmel fallen, geht es los. Und nach den ersten Kilometern hinterfrage ich die Idee, einen Bikepacking-Trip Mitte Oktober zu starten. Nützt alles nichts, ich wollte es ja so. Unser Ziel ist ein Trekkingplatz in der Segeberger Heide. Dort dürfen Radwanderer kostenfrei und legal campen, was normalerweise in Deutschland verboten ist. Aber weil wir irgendwann komplett durchnässt sind, suchen wir im Internet nach Alternativen.
Über die Plattform "1nitetent" finden wir im Kreis Stormarn tatsächlich eine Familie, die uns bei sich aufnimmt. In der Anzeige von Regina und Dietmar Griese steht, man könne bei schlechtem Wetter in der Gartenhütte übernachten. Aber stattdessen nehmen sie uns bei sich im Wohnhaus auf. Bett statt Isomatte und eine heiße Dusche und leckeres Abendessen gibt es auch. Was für eine Gastfreundschaft.
Die Reiseroute geht quer durch Schleswig-Holstein
Tag 2: "Und was essen wir?"
Das Essen, das mit auf die Reise kommt, soll wenig wiegen, haltbar, nahrhaft und gesund sein, schnell zuzubereiten sein - und schmecken. Das ist nicht ganz einfach. Doch es kann klappen, sich unterwegs gut zu ernähren ohne Stopp am nächsten Imbiss machen zu müssen. Meinen Porridge für den Morgen habe ich mir selbst gemischt und abgemessen in einen Gefrierbeutel gepackt. Der wiegt weniger als eine Tupperdose und nimmt weniger Platz ein. Porridge mit Nüssen und Saaten sättigt lang und gibt Energie für den Tag. Mittags gibt es meistens nur Kleinigkeiten - die aber sehr regelmäßig. Denn schließlich wird permanent Energie verbraucht. Also Salzbrezeln, Nüsse, Kekse - alles, was schnell Power gibt. Und abends gibt es in der Regel viele Proteine in Form von Kichererbsen, Bohnen und Tomatensoße, Nudeln und Reis. Bei Radreisen greife ich gern auch zu vorgekochtem Reis - denn der muss nur kurz aufgewärmt werden. An diesem Morgen brauchen wir uns übrigens gar nicht selbst um unser Frühstück zu kümmern. Wir bekommen es tatsächlich noch von unseren Gastgebern. Dann geht es los - in Richtung Nord-Ostsee-Kanal.
An diesem Tag wollen wir es bis nach Hanerau-Hademarschen (Kreis Rendsburg-Eckernförde) schaffen. Das sind gut 80 Kilometer, die wir entspannt auf gut ausgebauten Radwegen starten. Am Nachmittag kommt sogar die Sonne heraus - und sofort macht es doppelt so viel Spaß, quer durchs Binnenland zu radeln. Wir treffen eine Dame, die bei Nahe (Kreis Segeberg) am Straßenrand Blumen aus ihrem Garten verkauft. Und wir dürfen uns sogar ihren prachtvollen Garten anschauen.
Und am Abend kommen wir bei unserem neuen Gastgeber an, der an einer Wassermühle wohnt - die sogar noch funktioniert: Jo Pahl in Hanerau-Hademarschen. Als die Zelte stehen, bekommen wir eine kleine Privatführung. Das ist schon etwas Besonderes. Ganz anders als auf einem Campingplatz. Die Dusche fällt heute aus (es gibt nämlich keine) - stattdessen gönnen wir uns ein kurzes, kaltes Bad im Mühlenbach. Und zum Rauschen dieses Baches schlafe ich auch ganz schnell ein.
Tag 3: "Und wie bleibe ich nachts warm?"
Nachts zu frieren, das war ja ehrlich gesagt meine größte Sorge vor der Reise. Dass ich die Strecke körperlich problemlos bewältigen würde, war mir klar. Aber vor allem, wenn ich müde bin, werde ich zur Frostbeule. Deshalb habe ich mich vorbereitet.
Dadurch, dass wir auch am dritten Tag unserer Reise wieder ordentlich Strecke machen, bin ich abends bei Ankunft an unserem Übernachtungsplatz, in Enge-Sande wirklich müde. Kein Wunder, wir sind 105 Kilometer geradelt. Und vor allem in Nordfriesland hatten wir ordentlich mit Gegenwind zu kämpfen. Unser Übernachtungsplatz ist wieder etwas besonderes - und zwar bei Günther Friedrichsen im Garten. Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Platz durch die Internetplattform 1nitetent, über die Privatpersonen ihre Grundstücke oder Gärten an Radreisende oder Wanderer zum Zelten anbieten. Also bin ich froh, dass wir unsere Zelte schnell aufbauen können. Plane drunter – die schützt gegen die Feuchtigkeit von unten. Bei unseren Gastgebern darf ich sogar noch heiß duschen.
Und nach einem warmen Abendessen (heute der Klassiker: Nudeln mit Tomatensoße) bin ich dann auch reif fürs Zelt. Mein Winterschlafsack hat eine Komforttemperatur von 0 Grad, aber die Temperatur heute Nacht sollte mit acht Grad deutlich darüber liegen. Insofern bin ich mit Mütze, Schal und dicken Wollklamotten fast zu warm angezogen. Aber immerhin muss ich nicht frieren.
Tag 4: "Und woher weiß ich, wo ich lang muss?"
Die eigentliche Arbeit vor so einer mehrtägigen Reise – egal mit welchem Fortbewegungsmittel – ist auch beim Bikepacking die Planung. Aber das tolle am Radreisen ist ja auch die Flexibilität. Umwege, Abkürzungen, Zwischenstopps – alles liegt in meiner Hand.
Zum Abschied bekomme ich noch einen Apfel von Günther Friedrichsen aus dem Garten. Und als wäre es so geplant, scheint tatsächlich den gesamten Tag über die Sonne, sodass wir in kürzester Zeit den Bahnhof Klanxbüll (Kreis Nordfriesland) erreichen. Von hier aus nehmen wir für exakt eine Station den Regionalzug, denn anders kommen wir nicht über den Hindenburgdamm. Ich genieße die zehnminütige Fahrt bis nach Morsum auf Sylt. Die Aussicht ist einfach fantastisch – und als ich die ersten Meter über die Insel radle, kann ich es kaum fassen: Es ist kurz vor 12 und wir sind schon auf Sylt. Aber noch trennen uns gut 25 Kilometer vom endgültigen Ziel: Dem nördlichsten Punkt Deutschlands, dem Lister Ellenbogen. Den erreichen wir aber ruck zuck. Denn mal ehrlich: Bei so einer Panorama-Insel radelt es sich fast wie von selbst, vorbei an Villen, Schafen und immer wieder mit Blick auf die Nordsee.
Dann sind wir plötzlich da. Die letzten Meter geht es zu Fuß weiter. Einige Hundert Meter entlang und ein kleines Schild weist darauf hin: Wir sind am Ziel. 319 Kilometer sind wir durch Schleswig-Holstein geradelt. Was für ein Abenteuer.