Krebs früher erkennen - neue Diagnostik aus Kiel

Stand: 17.09.2023 05:00 Uhr

In Kiel testen Forscherinnen und Forscher eine Methode, um Krebszellen schneller zu diagnostizieren. Mit MRT und einem speziellen Kontrastmittel werden Stoffwechselprozesse, die auf Krebs hindeuten können, früher sichtbar.

von Joscha Krone

Professor Jan-Bernd Hövener und sein Forschungsteam vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel freuen sich. Bei einem ihrer Tests können sie wieder einmal Stoffwechsel auf dem MRT sehen. Die neue Diagnostik der Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigt im MRT-Bild Stoffwechselprozesse an, die auf Krebs hindeuten können. Mithilfe eines speziellen Kontrastmittels ist das viel schneller - und schon bevor sich überhaupt ein Tumor bildet - möglich. Bisher war es so, dass Ärztinnen und Ärzte Tumore nur sehen konnten, wenn sich diese schon gebildet haben. Auf dem MRT-Bild waren dann zum Beispiel dicke weiße Flecken zu sehen.

Forscher: "Wir wollen Krankheiten früher erkennen"

Ein Monitor zeigt eine medizinische Aufnahme. © NDR Foto: NDR Screenshots
Ein neues Verfahren macht Prozesse im Körper sichtbar, die auf Krebs hindeuten können.

Mit der neuen Stoffwechselbildgebung können Ärztinnen und Ärzte viel früher Aussagen treffen, ob es sich zum einen überhaupt um einen Tumor handelt, zum anderen aber auch schauen, ob die Therapie funktioniert. "Und zwar nicht fünf Wochen oder fünf Monate nach Therapiebeginn, sondern wenn es geht, schon eine Woche danach", so Hövener. Der Physiker ist Professor an der CAU und und leitet die Sektion für Biomedizinische Bildgebung der Klinik für Radiologie am UKSH. Mit der neuen Diagnostik kann die Therapie schon früher beginnen. Oder die Ärztinnen und Ärzte können sich noch rechtzeitig für eine ganz andere Art der Behandlung entscheiden.

Erhöhter Stoffwechsel outet Krebszellen

Wird das spezielle Kontrastmittel gespritzt, beginnen die Zellen im Körper, die Inhaltsstoffe zu verstoffwechseln und bestimmte Prozesse fangen an, im MRT-Bild zu leuchten. Man muss sich das so vorstellen: Man isst ein Stück Zucker. Das wird im ganzen Körper verdaut. Krankheiten, wie zum Beispiel auch Krebszellen, verstoffwechseln den Zucker dabei aber ganz anders. Krebszellen sind sehr aggressiv und essen davon sehr viel. Genau das, also diesen erhöhten Stoffwechsel, können die Wissenschaftler dann auf dem MRT viel besser sehen. Das sind dann die Punkte, wo ein Tumor möglicherweise bald entstehen könnte.

Spezielles Kontrastmittel erleuchtet Stoffwechsel

Die neue Methode lebt vor allem von dem speziellen Kontrastmittel. Bei seiner Herstellung wird es als erstes polarisiert. Das heißt, die Forscherinnen und Forscher benutzen quantenmechanische Tricks, um das MRT-Signal 100.000-fach zu verstärken, so der Physiker Hövener. Mit dieser Verstärkung können die Forscherinnen und Forscher dann Prozesse sehen, die im normalen MRT sonst unsichtbar bleiben. Sie können damit genau erkennen, wo sich Krebszellen aufhalten und verstärkt vorkommen.

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Eine Faust springt aus einem Brokkoli und schlägt gegen eine Krebszelle. © fotolia.com Foto: freshidea

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Dabei muss es schnell gehen. Das Kontrastmittel verliert aufgrund seiner Polarisierung sehr schnell seine Wirksamkeit. Nur etwa eine Minute lang, nachdem das Abstrakt verabreicht wurde, lassen sich die Stoffwechselprozesse auf Computermonitoren ablesen.

Neues Verfahren ist kostenintensiv

Das Kontrastmittel zu produzieren ist teuer, erklärt Josh Peters, Medizinstudent und Doktorand in der Sektion Biomedizinische Bildgebung, Klinik für Radiologie des UKSH und der CAU. Das Mittel benötigt zudem sehr lange in der Herstellung, für jeden Versuch immer etwa drei Stunden. Deswegen wird es sparsam eingesetzt. Professor Hövener weist darauf hin, dass die neue Methode vor allem dann Anwendung finden soll, wenn bei Patienten bereits ein Tumor im normalen MRT diagnostiziert wurde.

Neue Diagnostik auf dem Prüfstand: Tests mit Ratten laufen

Derzeit wird die neue Methode an Ratten getestet. Das sei eine bewährte Methode und ein genehmigter Versuch der Ethikkommission, so die betreuende Fachtierärztin für Versuchstierkunde, Dr. Olga Will. Für sie und das Forschungsteam ist es wichtig, dass die Tiere keine Schmerzen und Leiden davontragen. Experimente mit Tieren seien ein wichtiger Teil der Forschung, so Will. Im Forschungsteam ist man sich dennoch einig, dass Tierversuche nur gezielt eingesetzt werden und wenn möglich vermieden werden. Es gebe allerdings Bereiche, die ohne Tierexperimente nicht funktionieren. Daher ist ausgebildetes Personal bei diesen Versuchen so wichtig, wie die Tierärztin schildert.

Zulassung vielleicht schon im kommenden Jahr

Der nächste Schritt des Forschungsteams: Sie wollen das Mittel zusammen mit dem Krebszentrum der Universität an die Patienten bringen. Das wird aber noch etwas dauern, so Professor Hövener. Geplant ist, im kommenden Jahr damit an den Start zu gehen: "Wir haben das Ziel, dass wir diese Technologie hier in Kiel für Schleswig-Holstein und darüber hinaus in die Anwendung bringen." Bei der Zulassung werden die Forscherinnen und Forscher vom Bundesministerium für Forschung und Bildung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäischen Union unterstützt.

Trotzdem werden die Kieler Forscherinnen und Forscher weltweit nicht die ersten sein: Vor allem in Dänemark und Großbritannien sei die Forschung schon viel weiter, so Hövener. In Amerika werde die Diagnostik sogar schon an Menschen ausprobiert.

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Ein Mitarbeiter zeigt im Institut der Pathologie der Universitätsklinik Charite in Berlin an einem Computerbildschirm auf eine Darstellung einer eingescannten Probe eines Stück Gewebes aus dem Dickdarm. © picture alliance / dpa Foto: Bernd von Jutrczenka

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 18.09.2023 | 19:30 Uhr

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