Erfolg für Team des UKSH in der Genforschung
Heute ist der Tag der seltenen Erkrankungen. Fünf Prozent der Menschen weltweit sind davon betroffen. Mediziner vom UKSH haben nun gezeigt, wie wichtig die Forschung daran für uns alle ist.
Für werdende Eltern ist es der größte Wunsch, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Doch leider wird dieser Wunsch nicht immer erfüllt. Professorin Christel Eckmann-Scholz ist Gynäkologin und untersucht Kinder, wenn diese noch im Mutterleib sind. Vor wenigen Jahren hat sie bei einem ungeborenen Kind extreme Fehlbildungen an Armen und Beinen festgestellt. Das ist selten - weltweit sind nur etwa zehn Fälle von diesen Fehlbildungen bekannt. Auch für die erfahrene Ärztin war dies eine besondere Situation: "Das ist dann auch für einen selbst, auch wenn man das schon lange macht, ein ziemlicher Schock, wenn man auf dem Ultraschallbild sieht: da fehlt ein ganzes Bein, die Arme sind nicht normal ausgebildet", erzählt die Leiterin der Pränataldiagnostik am UKSH in Kiel.
Kind leidet unter Gendefekt
Schnell war klar: Das Kind leidet vermutlich unter einem Gendefekt. Um herauszufinden, was genau dem Kind fehlt, kontaktierte Professorin Eckmann-Scholz anschließend Experten der Humangenetik. Zusammen mit Professor Malte Spielmann und Professorin Almuth Caliebe, die das Institut für Humangenetik am UKSH leiten, untersuchte sie das Kind genauer.
Das Team der Uni-Klinik stellte fest: Bei dem Kind war tatsächlich ein Gen verändert. Doch genau das machte die Forschenden stutzig. Denn normalerweise führt eine Veränderung an dem betroffenen Gen nicht zu so schweren körperlichen Schäden, sondern zu einer viel leichteren geistigen Fehlbildung.
Rätsel für das Forschungsteam
Die Forscherinnen und Forscher standen vor einem Rätsel: Wie konnte es sein, dass ein und dasselbe Gen zu zwei komplett unterschiedlichen Erkrankungen führt? Das Team begann nun, dieser Frage nachzugehen und zog auch Kolleginnen und Kollegen vom Max-Planck-Institut in Berlin hinzu. Immer wieder besprachen sie die Ultraschallbilder und führten Untersuchungen im Labor durch.
Die Beharrlichkeit zahlte sich aus. Die Forschenden fanden heraus, dass sich das Gen so verändert hat, dass dadurch Zellen angegriffen wurden. Das machte das Kind dann schwer krank und führte zu den Fehlbildungen. Erstmals konnte das Team somit bei einem sehr seltenen Krankheitsbild zeigen, dass ein Gen zu zwei ganz unterschiedlichen Erkrankungen führt - ein unglaublicher Erfolg, auf den das ganze Team stolz ist.
Überraschende Ergebnisse
Doch die Forschenden wollten noch mehr herausfinden, erzählt Professor Malte Spielmann: "Dann haben wir überlegt: Könnte dieser Mechanismus nicht auch häufiger auftreten? Und das war dann eine sehr aufregende Suche: Wir haben über 100.000 Mutationen aus Datenbanken runtergeladen und konnten im Endeffekt bei ungefähr 100 Mutationen zeigen, in ganz unterschiedlichen Genen und ganz unterschiedlichen Erkrankungen, dass dieser Mechanismus dort eine Rolle spielt. Zum Beispiel bei bestimmten Lungenerkrankungen, aber auch im Bereich Krebs."
Die Forscherinnen und Forscher haben also möglicherweise neue Wege gefunden, um Krebs zu behandeln, dank einer seltenen Erkrankung bei einem Kind. Tatsächlich werden schon neue Medikamente und Therapiemöglichkeiten entwickelt.
Forschung ist Teamarbeit
Die Forschung des Teams vom UKSH zeigt: Wenn ganz seltene Erkrankungen vernünftig diagnostiziert werden, wird nicht nur den Betroffenen geholfen, sondern möglicherweise auch noch vielen weiteren Patientinnen und Patienten. Auch die Gynäkologin Eckmann-Scholz ist von dem Erfolg begeistert: "Es ist wichtig, dass wir eng zusammenarbeiten. Und das läuft hier bei uns einfach sensationell gut."