Rassismus an Schulen: "Mir hätte geholfen, wenn jemand mich verteidigt"
Ausgrenzung und Hänseleien - Rassismus ist auch für Schülerinnen und Schüler ein alltägliches Problem. Eine Grund - und Gemeinschaftsschule in Kiel will das ändern.
Einsam hat sich Farida Daouda in der dritten Klasse gefühlt. Sie war gerade neu an die Schule gekommen. Aber das war nicht der Grund, warum niemand mit ihr spielen wollte. "Die haben gesagt: 'Oh, mein Gott, du bist schwarz'", erinnert sich die heute 17-Jährige etwa sieben Jahre später. Ihrer Schulkameradin Moschda Jafari ist es ähnlich ergangen: "Ich wurde in der zweiten Klasse sehr oft wegen meines Namens, wegen meiner Muttersprache, wegen meiner Herkunft geärgert." Da war Moschda gerade aus Afghanistan mit ihrer Mutter nach Deutschland gekommen. Unterstützung hatten die beiden Mädchen nicht. "Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll", sagt Moschda, die heute ebenfalls 17 ist.
Sticheleien und Ausgrenzung bleiben oft unbemerkt
Moschda und Farida sind mit ihren Erfahrungen nicht allein. In Schleswig-Holstein wurden im Schuljahr 2019/2020 knapp 80 Gewalttaten mit rassistischem, religiösem oder antisemitischem Bezug an Schulen in der Gewaltmonitoring Datenbank GEMON registriert. Gemeldet werden dort aber nur die schwereren Vergehen, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Sticheleien und Ausgrenzung geschehen oft ungesühnt.
Unterstützung durch "Schule ohne Rassismus"
Diese Verletzungen sollen andere Kinder nicht erfahren, wünschen sich die beiden. Sie wollen aufklären, sensibilisieren und dafür sorgen, dass es ein höheres Bewusstsein für Rassismus im Alltag an der Klaus-Groth-Schule in Kiel, die sie besuchen, gibt. Dabei bekommen sie jetzt Hilfe vom Netzwerk "Schule ohne Rassismus". Die Initiative unterstützt deutschlandweit 4.000 Bildungseinrichtungen dabei, das Schulklima zu verbessern - 119 davon in Schleswig-Holstein. Markantestes Merkmal nach außen: die schwarz-weiße Plakette, die sich viele teilnehmenden Schulen an ihren Eingang hängen.
Angst vor "leeren Versprechungen"
An der rot-weißen Backsteinwand der Klaus-Groth-Schule ist schon ein Platz für das Schild "Schule ohne Rassismus" reserviert. Dafür haben Moschda, Farida und ihre Mitstreiter viel diskutiert. Sie mussten 70 Prozent der Schulgemeinschaft - dazu gehören auch das Lehrerkollegium, Sekretariat oder die Hausmeister - überzeugen, eine Charta zu unterzeichnen und sich gemeinsam dem Kampf gegen Rassismus zu verpflichten. Das ist die Voraussetzung des Netzwerks. "Viele haben befürchtet, dass das nur leere Versprechungen sind und wollten deshalb nicht unterzeichnen", sagt Farida. Aber der Status "Schule ohne Rassismus" ist keine Auszeichnung, sondern ein Auftrag. Mit Leben füllen muss jede Schule das Projekt selbst.
Fortbildungen auch für Lehrer
An der Klaus-Groth-Schule planen sie Projekttage, in denen sie sich kritisch mit Sprache befassen und gemeinsam Strategien erarbeiten, wie alle in Situationen von Rassismus besser reagieren können. "Stopp rufen, sich groß machen, Hilfe holen - das wollen wir üben", sagt Lehrerin Uta Engfer, die das Projekt begleitet. Aber es soll auch darum gehen, wie diejenigen, die nicht unmittelbar betroffen sind, besser einschreiten. "Mir hätte es sehr geholfen, wenn jemand für mich einsteht, mich verteidigt", sagt Farida. Zudem soll es Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer geben, denn Rassismus ist nicht nur ein Problem unter Schülern.
"Wir wollen Sensibilität fördern und eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus an Schulen anregen", sagt Marius Sibbel, Regionalkoordinator von "Schule ohne Rassismus" in Kiel. "Aber uns ist natürlich bewusst, dass wir nur einen kleinen Beitrag leisten können." Farida und Moschda hoffen, einen Grundstein für ein besseres Miteinander insgesamt zu legen. Ihre Idee: Wer an der Schule neben Mathe und Bio auch Toleranz lernt, nimmt das mit ins Leben.