Kurs bringt Kindern den Umgang mit Deepfakes bei
Auf den ersten Blick kaum zu erkennen: Deepfakes. Immer häufiger werden manipulierte Fotos oder Videos verbreitet, die täuschend echt aussehen. In Kiel soll nun ein interaktiver Workshop Schulkindern helfen, sie zu erkennen.
"Als ich zehn war, habe ich auf TikTok ein Video gesehen, in dem gewarnt wurde, dass die Welt wegen eines Meteoriteneinschlags dabei ist, unterzugehen", erzählt die zwölfjährige Mia Martin. Zusammen mit ihrer Klasse hat die Schülerin der Hermann-Löns-Schule in Kiel-Elmschenhagen am Montag an einem "Deepfake Detective"- Workshop teilgenommen, den unter anderem das Kieler Kreativstudio holoNative veranstaltete.
Die Schülerin berichtet, wie sehr ihr das Video von dem gefälschten Meteoriteneinschlag Angst eingeflößt hatte. Sofort habe sie es ihren Freundinnen und Freunden weitergeleitet, um sie zu warnen. "Am Ende haben mir meine Eltern gesagt, dass das Quatsch ist und das Video nicht echt", sagt die Schülerin und grinst. Heute würde sie darauf nicht mehr hereinfallen, sagt sie. Schließlich ist sie nun auch "Deepfake-Detektivin".
Viele Inhalte über viele Kanäle
Das Thema Medienkompetenz - gerade auch für jüngere Kinder - wird immer relevanter, weshalb auch das Land Schleswig-Holstein unter Digitalisierungsminister Dirk Schrödter (CDU) den Workshop als Medienkompetenz-Projekt fördert. "In unserer Freizeit nutzen wir am Handy oft mehrere Apps gleichzeitig: TikTok, Instagram, Youtube, Snapchat - das ist normal", berichten Mia und ihre gleichaltrige Freundin Liana Lange. Umso wichtiger, dass die Kinder lernen, dass zwischen all den Inhalten, die sie täglich über ihre Handys reingespült bekommen, auch Deepfakes sein können. Wie sie diese besser identifizieren können, ist das erklärte Ziel des Workshops.
Mit VR-Brille für Deepfakes sensibilisieren
"Es besteht noch die Möglichkeit, Deepfakes zu erkennen und zu entlarven", sagt Colin Kavanagh. Der 28-Jährige ist Mitinitiator des Projekts und Co-Gründer von holoNative. "Weil das Thema so komplex ist, haben wir unseren dreistündigen Workshop in mehrere Stationen aufgeteilt", sagt er. Eine der eindrücklichsten Stationen während des Kurses: das Spiel, in dem die Teilnehmenden per VR-Brille komplett in die virtuelle Realität eintauchen und eine "Deepfake Detective"-Ausbildung absolvieren. Dabei sollen sie ihre Wahrnehmung und den Blick für Auffälligkeiten in unterschiedlichem Videomaterial trainieren. Ob die Anwendung erfolgreich ist, wird sich zeigen - beliebt bei den Kindern ist sie allemal. In der Abschlussrunde sind sich alle Schülerinnnen und Schüler einig: "Das war unsere Lieblingsstation!"
"Zu glatt und irgendwie fake"
An einer anderen Station werden den Schulkindern jeweils echte und manipulierte Fotos gezeigt. Die unechten wurden mit der Deepfake-Methode, dem sogenannten Face Swapping, verändert. Dabei sollen die Kinder erkennen, auf welchen Fotos das Bild der Person durch das Gesicht einer anderen Person ersetzt wurde. "Achtet auf den Hintergrund, ob die Konturen zu kantig wirken oder ob es merkwürdige Löcher oder Pixel im Foto gibt", sagt Michael Dolz. Der Soziologe leitet die Foto-Station des Workshops und ist beeindruckt: Die zwölfjährigen Schulkinder erkennen oft blitzschnell, welche der Gesichter realistisch wirken. Dolz hat ihnen erklärt, dass die KI-Technologie noch nicht gut fälschen kann, wenn beispielsweise auf dem Bild noch ein anderer Mensch zu sehen ist oder die Person eine Handbewegung macht - solche Fotos seien meist noch echt.
"Zu glatt, irgendwie fake", kommentiert ein Schüler das Foto einer strahlend jungen Frau, die wie in den Hintergrund reingeschnitten wirkt. Klarer Fall: Deepfake. Eine anderes Schulkind erzählt, es sei auf Instagram schon einmal von einem älteren Mann angeschrieben worden, der sein Online-Profil gefaked hatte. Es gibt inzwischen frei zugängliche Apps, die per KI-Software Fotomanipulation für jeden anbieten. Dabei ist die Gefahr, die von Deepfakes und anderen Online verbreiteten Desinformationen ausgeht, enorm.
Deepfakes können auch als Propagandawaffe genutzt werden
Spätestens seit im März vergangenen Jahres Unbekannte im Netz ein Deepfake-Video des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verbreiteten, in dem er seine Truppen aufforderte, die Waffen niederzulegen, ist klar: Deepfakes sind gefährlich. Sie können dabei helfen, Falschmeldungen zu verbreiten und als Propagandawaffe eingesetzt werden. Expertinnen und Experten sind sich einig: Mit Künstlicher-Intelligenz-Software erstellte Videos, in denen Personen Dinge in den Mund gelegt werden, die sie nie gesagt haben, sind eine Gefahr für die Gesellschaft - wenn sie denn nicht erkannt werden. Das Deepfake-Video von Wolodymyr Selenskyj ist damals unmittelbar von Fachkundigen als Fake identifiziert worden. Und auch Mia Martin und Liana Lange sind sich einig: "So schnell würden wir jetzt nicht mehr auf gefakte Bilder oder Videos hereinfallen!"
Interessierte Schulklassen können sich auf der Website des Projekts noch in diesem Quartal für einen Workshop anmelden.