Jugendgewalt in Uetersen: Zwölfjähriger von Gleichaltrigen misshandelt
Mitte Februar ist es in Uetersen im Kreis Pinneberg zu einem Fall von Jugendgewalt gekommen: Ein Zwölfjähriger wurde von Gleichaltrigen gequält und dabei gefilmt. Alle Beteiligten sind nicht strafmündig.
Es sind verstörende Szenen: Ein Junge kniet vor einem anderen Jungen, wird von ihm beleidigt, geschlagen, gewürgt und an den Haaren gezogen. Weitere gleichaltrige Jungen und Mädchen stehen dabei und filmen den Vorfall. Die Videoaufnahmen davon kursieren seitdem in den sozialen Netzwerken und auf Messenger-Diensten. Auf Anfrage von NDR SH bestätigt die Polizei Pinneberg den Vorfall. Ereignet hat er sich vor gut einem Monat, am 14. Februar, in der Meßtorffstraße in Uetersen. Etwa 700 Meter von der Rosenstadtschule, der Schule des Opfers, entfernt. Zuerst hatte "Bild" darüber berichtet.
Gut eine Woche nach der Tat erstattet die Mutter des zwölfjährigen Opfers bei der Polizei Anzeige wegen Körperverletzung und Nötigung. Dort wird daraufhin formal ein Strafverfahren eröffnet. Ein Polizeisprecher erklärt, dass das jedoch eine reine Formalität gewesen sei, denn der Täter, ebenfalls zwölf Jahre alt, ist laut Gesetz noch nicht strafmündig. Gegen ihn könne deshalb kein Ermittlungsverfahren geführt werden. Der zuständige Jugendsachbearbeiter der Polizeidienststelle Uetersen hat die Personalien der anderen Beteiligten ermittelt und auch von ihnen ist laut Polizei noch niemand strafmündig. Der Täter ging offenbar auf eine andere Schule als das Opfer; sein Motiv ist nicht bekannt.
Täter noch nicht strafmündig - Jugendamt ist zuständig
Der Jugendsachbearbeiter hat deshalb das Jugendamt des Kreises Pinneberg über den Vorfall informiert. Das ist jetzt für die weitere Aufarbeitung zuständig. Katja Wohlers, Pressesprecherin des Kreises, erklärt, dass es mehrere Gespräche mit den Involvierten gegeben habe, bei denen sowohl das Opfer als auch der Täter von professionell pädagogisch geschulten Helferinnen und Helfern betreut wurden und nach wie vor werden. Details zum Vorfall könne sie aus Datenschutzgründen nicht nennen.
Für die Polizei war der Vorfall aufgrund der mangelnden Strafmündigkeit des Täters mit der Übergabe an das Jugendamt wenige Tage, nachdem die Mutter des Opfers Anzeige erstattet hatte, abgeschlossen. Jedoch tausche man sich weiter verstärkt mit dem zuständigen Jugendsachbearbeiter in Uetersen aus. Der spricht bei dem Fall von einer besonders gravierenden Form der Gewalt, die über das bekannte Maß einer Prügelei auf dem Schulhof hinausgehe. Er selbst habe so einen Fall noch nicht erlebt. Auch der Kreis sagt, dass in den vergangenen Jahren kein vergleichbarer Fall bekannt geworden sei.
Bildungsministerium warnt vor Verbreitung des Videos
Auch Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) zeigte sich betroffen. "Wir alle haben mit großer Bestürzung von den Demütigungen eines zwölfjährigen Jungen in Uetersen erfahren", sagte sie. Einzelfälle wie dieser und auch die Verbreitung solcher Videos würden ihr Sorge bereiten. Und die Ministerin mahnt: "Es ist wirklich auch mein Appell an Eltern, an Lehrkräfte, an jeden einzelnen Erwachsenen, jeden älteren Jugendlichen: Verbreitet solche Videos nicht. Und sorgt dafür, dass die Videos gelöscht werden."
Auch Ministeriumssprecher David Ermes erklärte, dass dies besonders wichtig sei: "Wer das Video teilt, schädigt das Opfer wieder und wieder", so Ermes. Das schleswig-holsteinische Bildungsministerium appelliert: "Wenn Sie dieses Video sehen, melden Sie es dem Plattformbetreiber, löschen Sie es von den Mobiltelefonen ihrer Kinder und suchen Sie das Gespräch mit ihren Kindern." Prien kündigte an, dass das Thema Jugendgewalt am Freitag im Landtag thematisiert werde. Dazu sollen auch Experten zu Wort kommen.
Schule reagierte schnell
Die Schule hat aus Sicht der Schulaufsicht richtig reagiert. Sie hatte nach dem Auftauchen der Videos die Polizei eingeschaltet und Unterstützungsangebote für den betroffenen Schüler zur Verfügung gestellt, erklärt Kreissprecherin Katja Wohlers weiter. Das schleswig-holsteinische Bildungsministerium lobte das Eingreifen der Schule.
Am Dienstag veröffentlichte die Schule ein Statement auf ihrer Homepage. Schulleiter André Neumann erklärte, dass die Schulgemeinschaft erschüttert von der Tat sei. Der betroffene Junge werde nun unterstützt und der Vorfall zusammen mit der Jugendhilfe aufgearbeitet. Neumann bittet außerdem darum, das Video nicht weiter zu verbreiten, sondern zu löschen.