Jüdisches Pessach-Fest in SH: "Wir können nicht ausgelassen feiern"
Vom 22. bis zum 30. April feiern Jüdinnen und Juden in diesem Jahr das Pessach-Fest. Es erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten vor gut 3.000 Jahren. Die Feiern werden von den Entwicklungen in Israel und Nahost überschattet.
"Man kann nicht feiern, ohne darüber zu reden", erzählt Walter Blender aus der Jüdischen Gemeinde in Bad Segeberg (Kreis Segeberg). Am Montagabend haben etwa 35 Mitglieder seiner Gemeinde das Pessach-Fest mit dem traditionellen Seder-Essen eingeleitet. Dienstagabend werden zum gemeinsamen Abendessen noch einmal 50 Mitglieder erwartet. "Da stehst du am Buffet und sprichst über den Krieg", sagt Blender, der auch Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein ist. Bei allen sechs Gemeinden des Landesverbands sei die Stimmung verhältnismäßig gut gewesen, denn "das Fest bleibt das Gleiche, aber wir können nicht ausgelassen feiern".
Freiheit und Sicherheit sind zentrale Themen
Das zweitwichtigste Fest im Judentum erinnert an die in der Tora beschriebene Leidensgeschichte der Israeliten und ihre Befreiung aus Ägypten. Es wird deshalb auch oft als "Fest der Freiheit" beschrieben. Für den Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde in Flensburg, Gershom ben Abraham Jessen, ist das ein zentrales Thema: Denn auch heute seien Juden nicht frei: "Wenn ich allein in Flensburg unterwegs bin, trage ich keine Kippa", erzählt Jessen. Beleidigungen und Bespucken habe er schon häufig erlebt.
In Schleswig-Holstein ist die Zahl antisemitischer Vorfälle seit dem Hamas-Angriff auf Israel stark gestiegen. Nach Angaben des Innenministeriums gab es seit Anfang Oktober mehr als 45 solcher Straftaten - im gesamten Vorjahr waren es rund 50. Am 7. Oktober hat die Terrororganisation Hamas Israel angegriffen, seitdem herrscht Krieg. Auch das Verhältnis zwischen Israel und Iran droht nach Angriffen beider Seiten im April weiter zu eskalieren.
"Es herrscht eine diffuse Traurigkeit"
Das Pessach-Fest feiert die Jüdische Gemeinde in Flensburg trotzdem wie jedes Jahr. Mit etwa 45 Personen sei es zum Seder-Essen "voll bis auf den letzten Platz" gewesen, berichtet Geschäftsführer Jessen. Auch Gäste aus Israel waren dabei. Die Stimmung sei gut gewesen: "Wir haben das alles im Bewusstsein, aber wir lassen keine Angst und Bedenken zu." Das schaffen die Mitglieder der Gemeinde, indem sie sehr viel miteinander und auch mit Freunden und Familien in Israel sprechen.
Viel Gesprächsbedarf in jüdischen Gemeinden
Walter Blender vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden tauscht sich regelmäßig mit allen Gemeinden in Ahrensburg (Kreis Stormarn), Bad Segeberg, Kiel, Lübeck und Pinneberg und Elmshorn (beide Kreis Pinneberg) aus. Zum Start des Pessach-Festes habe es nirgendwo Störungen gegeben, berichtet er. Die Polizei sei besonders aufmerksam gewesen.
Beim Seder-Essen kommt dem Jüngsten in der Runde traditionell die Aufgabe zu, vier Fragen zu stellen. Sie sollen die Leidensgeschichte der Israliten in Ägypten erklären - und sie regen dazu an, zu diskutieren. In diesem Jahr gibt es dafür besonders viel Stoff.