Wie ein historisches Fischerdorf gegen den Ausbau des Lübecker Hafens kämpft
Tausende Menschen kommen jährlich in den denkmalgeschützten Ort Gothmund, um sich die Reetdachhäuser anzuschauen. Optisch könnte die Siedlung jetzt Schaden nehmen, fürchten die Bewohnerinnen und Bewohner.
Seit mehr als 500 Jahren liegt Gothmund direkt an der Trave in Lübeck. Auf der anderen Flussseite will der private Hafenbetreiber Lehmann nun den Lübecker Hafen ausbauen. Geplant sind Kaianlagen und Hallen. Die Gothmunderinnen und Gothmunder sind dagegen und haben eine entsprechende Bürgerinitiative gegründet. "Das größte Problem ist, dass der kulturelle Zustand von Gothmund den Bach runter geht", erklärt Vorstandsmitglied Georg Conradi. Die Hunderte Jahre alte Siedlungsgeschichte des Ortes werde durch die Hafenentwicklung so stark in den Hintergrund gedrängt, dass Gothmund unbedeutend werde, sorgt sich Conradi. Deswegen wollen die Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer verhindern, dass Schiffe gegenüber anlegen. Sie sammeln unter anderem Unterschriften gegen das Vorhaben.
Belastung durch Optik und Lärm befürchtet
Geplant sind etwa 500 Schiffsanläufe pro Jahr, allerdings laut Lehmann nicht nur am Kai gegenüber von Gothmund, sondern verteilt auf alle vier Kaianlagen des Hafenbetreibers. "Lastwagen fahren um die Hallen rum, Gabelstapler fahren rückwärts, die piepsen und wir werden außerdem durch das Licht belästigt. Der Hafen ist ja beleuchtet und das Licht reflektiert", meint Conradi. Während der Sommermonate laufen jeden Tag Touristinnen und Touristen durch Gothmund, der Weg führt mitten durch den Ort, die Häuser versperren dabei größtenteils den Blick auf das Wasser.
Initiative sammelt Unterschriften
3.500 Unterschriften hat die Bürgerinitiative gegen den Ausbau gesammelt, viele stammen von Touristinnen und Touristen. Allerdings fürchten nicht alle von ihnen die Hafenerweiterung. "Als Tourist genieße ich ja den ganzen Ort, dabei ist mir der Blick auf die anderen Flussseite nicht so wichtig, das trifft eher die Bewohner mit ihren Wassergrundstücken", erklärt ein Besucher. "Wenn man über die Gärten rüberschaut, ist das sicher kein schöner Anblick mehr, wenn gebaut werden sollte", stimmt ein anderer Gast den Gothmunderinnen und Gothmundern zu. "Auf der anderen Seite ist es natürlich wirklich wichtig, dass die Wirtschaft vorankommt. Für die Wirtschaft und für unser Land ist es einfach gut, wenn man hier Arbeitsplätze bindet und die Waren gut umschlagen kann", gibt ein weiterer Tourist zu bedenken.
Hafen wichtiger Wirtschaftsfaktor in Lübeck
Mehr als 10.000 Arbeitsplätze hängen nach Angaben der Stadt am Lübecker Hafen. Laut Industrie- und Handelskammer generiert die Hafenwirtschaft in der Region jedes Jahr einen Milliarden-Umsatz und ist ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Doch der Standort steht auch im harten Wettbewerb, unter anderem mit den Häfen Kiel und Rostock. Die Stadt Lübeck will mit ihrem Hafenentwicklungsplan deshalb konkurrenzfähig bleiben. "Wir sehen mit unserem Hafen hohe Entwicklungspotentiale, weil er gute Eigenschaften hat: Die geografische Lage, oder die besonders gute Anbindung des Hafenstandortes - Schiene, Straße, Wasserstaße", erklärt Lübecks Bausenatorin Joanna Hagen.
110 Millionen Euro wolle Lehmann in seine Kaianlagen investieren. Umgeschlagen werden hier unter anderem Holz- Papier und Baustoffe. "Die Hafenbetreiber sind auf die Nähe zum Wasser angewiesen. Das ist ihr ureigenstes Metier. Insofern ist diese Hafenkante ganz besonders wertvoll für die gewerbliche Nutzung", so Hagen.
Andere Flussseite wird heute schon gewerblich genutzt
Auch heute schon wird das Gelände gegenüber genutzt. Laut Bürgerinitiative werden dort Dünger und Kies gelagert. Bis in die 90er-Jahre stand hier ein Kohlekraftwerk. Der Standort liegt laut Lehmann günstig, weil die Schiffe nicht so weit in Richtung Stadt fahren müssen. Deshalb will der Hafenbetreiber gerade an diesem Standort bauen. Zur Zeit läuft das Planfeststellungsverfahren.
Das Land entscheidet über den Ausbau. Als nächstes stehen die Erörterungstermine an. Wann die sein werden, ist noch nicht klar. Die Stadt und Lehmann wollen jetzt mit den Gothmunderinnen und Gothmundern ins Gespräch kommen, um besser über die künftigen Belastungen aufzuklären.