"Heavy Kurier": Lübecker liefert mit XXL-Lastenrad aus
Parken in zweiter Reihe, Stau, Lärm und Gestank: In vielen Städten macht der Lieferverkehr Probleme. Ein Lübecker Unternehmer will es besser machen - mit seinem speziellen Kurier-Lastenrad.
Matthias Jendrian stellt eine gelbe Postkiste in den knapp zwei Meter hohen Kasten, der auf sein E-Bike montiert ist. Zweimal in der Woche fährt er die Post zwischen der Lübecker Musikhochschule direkt an der Trave und dem zugehörigen Brahmsinstitut hin und her. Etwa vier Kilometer - einmal durch die enge Innenstadt. Er könnte weitaus mehr in den Kasten hineinbekommen, eine Europalette, bis zu 200 Kilo. "Die Auslastung ist noch nicht da", sagt Matthias Jendrian - das soll sich aber ändern. "In Zukunft sollen auch Musikinstrumente transportiert werden."
Lübecker Altstadt-Verkehr: Herausforderung für den Cargo-Kurier
Seit etwa einem halben Jahr ist Matthias Jendrian mit seinem "Lü-Bike" unterwegs. Zu seiner Kundschaft gehören ein Weinladen-Betreiber und eine Floristin, auch einen Umzug hat er schon erledigt. Für etwa sieben Touren in der Woche ist er zur Zeit gebucht - auch da hätte er noch Kapazitäten. Das ausladende Lastenrad zu fahren, ist allerdings nicht so einfach. Oft muss er vom Fahrradweg auf die Straße ausweichen - zum Leidwesen mancher Autofahrer. Nette Reaktionen gebe es aber auch: "Es ist ja auch ein Vorteil für die Autofahrer, wenn nicht immer mehr Laster und Transporter in die Stadt kommen."
Alternativen für Auslieferungen auf der "letzten Meile" gesucht
Das Weltwirtschaftsforum geht davon aus, dass im Jahr 2030 in großen Städten 36 Prozent mehr Lieferfahrzeuge unterwegs sein werden. Schon der Trend zum Onlineshopping trägt dazu bei. Ein Forschungsprojekt des Instituts für Luft und Raumfahrt hat hingegen gezeigt, dass rund 42 Prozent der Waren mit Elektro-Lastenrädern ausgeliefert werden könnten. In einigen Städten wird damit experimentiert, Sendungen auf der sogenannten "letzten Meile" mit Lastenrädern oder auch kompakten Leichtelektrofahrzeugen auszuliefern.
Nele Hellwig, Stadtplanerin bei der Hansestadt Lübeck, ist überzeugt davon: "Man kann natürlich nicht alle Sendungen auf Lastenräder umschlagen, eher kleinere, haushaltsübliche Pakete." Für die Lübecker Innenstadt seien Lastenräder besonders praktisch: "Sie können Einbahnstraßen auch in die entgegengesetzte Richtung befahren. So werden die Lieferrouten effizienter und man kann Kilometer einsparen."
Lasten-Kurier will künftig auch Online-Bestellungen ausliefern
Im Herbst soll in Lübeck ein Mikrodepot in Betrieb gehen - ein Lager am Rande der Altstadt. Von dort aus sollen Lieferungen emissionsfrei in die Innenstadt und angrenzende Stadtteile ausgeliefert werden. Mehrere Lieferunternehmen sollen das Depot gemeinsam betreiben, auch Matthias Jendrian ist dabei. Dann wird er nicht mehr nur Kurierfahrten machen, sondern mit seinem Rad auch Onlineshoppern in der Innenstadt ihre Pakete liefern.
Auslieferungen mit Lastenrad: In größeren Metropolen nichts Neues
In Schleswig-Holstein gebe es mit "noord transport" noch einen Anbieter für Cargo-Bike-Kurierdienste in Kiel, sagt Arne Behrensen vom Berliner Verein "Zukunft Fahrrad e.V.", der sich für eine nachhaltige Mobilitätswende einsetzt. In Hamburg stellt das Lieferunternehmen UPS seine Lieferungen auf der "letzten Meile" schon länger mit Lastenrädern zu, sagt der Lastenrad-Experte. Damit sich das Konzept für die Anbieter lohnt, brauche es urbane Zentren und lokale Pioniere. Vorreiter wie Matthias Jendrian in Lübeck. Dass er als erster mit einem XXL-Lastenrad in der Hansestadt unterwegs ist, wundert ihn selbst: "Vielleicht ist es ja mein Glück."