Hamburg will vor Helgoland mehr Schlick loswerden: Macht SH mit?

Stand: 01.12.2022 20:48 Uhr

Damit die Elbe für große Schiffe befahrbar bleibt, muss Hamburg jede Menge Schlick loswerden. Doch da das Kontingent einer Deponie vor Helgoland fast erschöpft ist, muss neu verhandelt werden. Dabei geht es um viel Geld.

von Julia Schumacher

Es ist eine unendliche Geschichte um Unmengen von Schlick: Damit der Hamburger Hafen wettbewerbsfähig bleibt, also befahrbar für große Frachter, muss die Fahrrinne immer weiter vertieft werden. Die bereits neunte Elbvertiefung ist erst im Januar abgeschlossen worden und hat 800 Millionen Euro gekostet. Der zulässige tideunabhängie Tiefgang sollte bei 13,5 Metern liegen, 14,5 sind es bei Flut.

Schlick kommt schneller zurück

Das Containerschiff "Ever Aria". © TV Elbnews Foto: Screenshot
Das Containerschiff "Ever Aria" ist einer der größten Frachter der Welt. Er hat einen maximalen Tiefgang von 17 Metern.

Doch keine zehn Monate später hat sich schon wieder so viel Schlick in der Fahrrinne abgesetzt, dass die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die nutzbare Tiefe um einen Meter eingeschränkt hat. Und das, obwohl der nachkommende Schlick stetig abgesaugt und weggebaggert wird.

Die Frage, wo diese Sedimentmassen entsorgt werden können, ist immer wieder Anlass für Streit, Verhandlungen und Diskussionen zwischen Hamburg und seinen Nachbarn Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Einer von mehreren Orten, an dem Elbschlick verklappt wird, ist vor Helgoland bei der Tonne E3. Doch das in einer Vereinbarung zwischen den Ländern festgelegte Kontingent ist bis Ende des Jahres ausgeschöpft.

50 Millionen Euro für abgeladene Sedimente

Deswegen muss eine Anschlussvereinbarung her, bei der es nicht nur um Schlick, sondern auch um viel Geld geht. Und das war am Donnerstag Thema im Finanzausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags. Bislang war es so geregelt, dass Hamburg pro Tonne abgelagerten Schlick fünf Euro gezahlt hat - freiwillig an die Stifung Nationalpark Wattenmeer. Bislang waren das laut Schleswig-Holsteinischem Rechnungshof 50 Millionen Euro.

VIDEO: Schlickdeponie vor Helgoland: Landtag verhandelt mit Hamburg (5 Min)

Schlickdeponie als Druckmittel

Warum das Geld von Hamburg freiwillig und an die Stiftung Nationalpark Wattenmeer gezahlt wurde - und nicht etwa in den Landeshaushalt - hat seinen Ursprung im Jahr 2013: Damals stritten Hamburg und Schleswig-Holstein darum, wer Ausrichter einer großen Windkraftmesse sein darf. Schleswig-Holsteins Position, damals formuliert von Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne), war: "Hamburg läuft unter der Latte durch - deshalb muss man Wege finden, Hamburg auf Augenhöhe zu bringen und die Wege werden indirekt sein."

Diese indirekten Wege waren: Wenn Hamburg sich die Messe schnappt, könnte es sein, dass die Hansestadt ihren Schlick nicht mehr auf schleswig-holsteinischem Gebiet bei Helgoland entsorgen darf. Das Ergebnis: eine Vereinbarung einer freiwilligen Zahlung von Hamburg an die Stiftung Nationalpark Wattenmeer. Doch darum, an wen das Geld geht, gibt es seit gut zwei Jahren Verstimmungen bei schleswig-holsteinischen Parlamentariern.

Geld aus Schlickentsorgung soll in den Landeshaushalt

So kritisiert die Opposition, dass das Parlament keinen Einfluss darauf habe, was mit diesen Einnahmen passiert, wenn es in eine Stiftung und nicht in den Landeshaushalt fließt. Der Landesrechnungshof stimmt zu: Mit dieser Regelung verletze das Umweltministerium Budgetrecht und übergehe das Parlament. Ein einstimmiger Landtagsbeschluss, dass das Geld aus Hamburg künftig in ein Sondervermögen fließen soll, gibt den Verhandlungen mit Hamburg um eine Anschlussvereinbarung endgültig die Richtung vor.

Das Problem hat Hamburg

Die Frage, wo diese Verhandlungen stehen, wenn doch Ende des Jahres das Kontingent bei Helgoland aufgebraucht ist, war am Donnerstag auf der Tagesordnung des Finanzausschusses. Doch Antworten gab es so gut wie keine.

Denn Hamburg hat bislang keinen Antrag auf eine Anschlussvereinbarung gestellt. Damit verschiebe sich der Fahrplan für eine neue Vereinbarung nach hinten, so die Staatssekretärin im Umweltministerium, Katja Günther (Grüne). Grund seien fehlende Gutachten: "Hamburg braucht die und wir brauchen die auch, um die ökologischen Auswirkungen einer weiteren Sedimentverbringung für die Zukunft prüfen zu können." Solange die Gutachten fehlen, könne der Antrag nicht gestellt werden. "Das ist für Hamburg ein Problem, für uns nicht. Wir wollen ja kein Sediment unterbringen."

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Gespräch hinter verschlossener Tür

Es liefen zwar Verhandlungen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, bei denen etwas ähnliches wie bisher angedacht sei, so Günther, mehr wollte sie aber nicht dazu sagen: "Ich möchte jetzt nicht die Verhandlungsposition von Schleswig-Holstein verschlechtern, indem ich öffentlich kundtue, was Gegenstand der Verhandlungen ist." Deswegen wurde auf Wunsch der Ausschussmitglieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter geredet.

Klar ist: Alle wollen, dass das Geld in ein Sondervermögen fließt, damit der Landtag darüber entscheiden kann, wofür das Geld verwendet wird. "Es sind immense Millionenbeträge", sagt Ausschussmitglied Annabell Krämer von der FDP im Anschluss. "Bisher sind die Mittel, die Hamburg an uns zahlt, ja nicht ordentlich dem Haushalt zugeführt worden, es ist am Parlament vorbei in die Stiftung geflossen."

Zuversicht auf allen Seiten

Trotz ausgeschöpftem Kontingent bei Helgoland und verzögertem Zeitplan sind beide Verhandlungspartnern guter Dinge: "Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Hamburg eine gute Lösung verhandeln werden", sagt Staatssekretärin Günther. Bei Ländervereinbarungen müssten zwar immer beide Partner zustimmen, sagt Landesrechnungshof-Präsidentin Gaby Schäfer: "Aber ich glaube, Schleswig-Holstein ist in einer sehr kommoden Verhandlungsposition: Hamburg hat ein Problem, die Elbe muss ausgebaggert werden und die Sedimente will keiner haben."

Doch auch die mit dem Problem sind zuversichtlich: "Wir sind sehr sicher, dass wir für Tonne E3 eine gute gemeinsame Lösung finden, die bereits 2023 greift und für eine längere Zeit trägt", heißt es aus der Hamburger Wirtschaftsbehörde. Und einen kleinen Einblick in die Verhandlungen gibt es hier doch: "Hamburg und Schleswig-Holstein sind sich einig, dass die bisherige Jahresobergrenze möglichst etwas gesteigert werden soll." Wie viel Euro es pro Tonne geben soll, sei aber Gegenstand laufender politischer Gespräche.

Drei-Länder-Gespräche zum Elbschlick

Neuwerk Scharhörn Vogelschutz © Freie und Hansestadt Hamburg Foto: Peter Körber
In der Nähe der Vogelschutzinsel Scharhörn will Hamburg Elbschlick veklappen.

Die Diskussion um die Vereinbarung zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein zur Tonne E3 bei Helgoland ist nur eine von Hamburgs Baustellen zum Thema Schlickverklappung aus der Elbe. So hat Hamburg angekündigt, ab Januar 2023 vor der Vogelschutzinsel Scharhörn Sedimente entsorgen zu wollen. Scharhörn gehört zum Hamburger Staatsgebiet. Dabei droht allerdings Streit mit Niedersachsen: Dort gibt es die Befürchtung, dass belasteter Schlick an die eigene Küste gelangen könnte. Niedersachsen hat für den Fall eine Klage vorbereitet.

Um die Streitthemen rund um das Ausbaggern der Elbe und Entsorgung des Schlicks zu besprechen, treffen sich Staatssekretäre und Chefs der Staatskanzleien beziehungsweise der Senatskanzlei der drei Bundesländer am kommenden Freitag im Hamburger Rathaus.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 01.12.2022 | 19:30 Uhr

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