Großer Empfang für schwimmendes LNG-Terminal in Brunsbüttel
Selten hat die Politik ein Schiff in Schleswig-Holstein so sehnlich erwartet: Das schwimmende LNG-Terminal "Höegh Gannet" ist am Freitagmorgen in Brunsbüttel angekommen. Der Regelbetrieb soll im Februar starten.
Die fast 300 Meter lange "Höegh Gannet" hat am frühen Freitagmorgen den Gefahrgut-Liegeplatz im Brunsbütteler Elbehafen West erreicht. Tanker mit verflüssigtem Erdgas, unter anderem aus den USA und Katar, können Brunsbüttel damit künftig ansteuern. Das schwimmende LNG-Terminal ist in der Lage, das stark komprimierte flüssige Erdgas aufzubereiten, damit es in Pipelines an Land eingespeist werden kann. Die drei bislang installierten schwimmenden Einheiten in Deutschland - in Wilhelmshaven, Lubmin und jetzt Brunsbüttel - können bei Auslastung etwa zehn Prozent des deutschen Gasbedarfs decken, sobald sie in den Regelbetrieb gehen.
LNG-Schiff muss noch mal Platz für Rohöltanker machen
Das erste Gas wird voraussichtlich erst in ein paar Tagen strömen. Das Schiff legte zunächst nur zum Fototermin an. Es muss übergangsweise Platz für einen Rohöltanker machen. Danach soll aber das erste Flüssigerdgas aufbereitet werden. Eine eher geringe Menge hatte die "Höegh Gannet" bereits an Bord. Das Schiff war im nordspanischen LNG-Terminal Mugardos mit etwa 34.000 Kubikmetern LNG betankt worden. Das entspricht in etwa dem jährlichen Erdgasbedarf von mehr als 10.000 Haushalten.
Ende Januar kommt dann der erste Erdgas-Tanker aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, weitere sollen alle paar Wochen folgen. Die schnell installierte Drei-Kilometer-Pipeline-Anbindung schafft nur zwei Drittel der geplanten Kapazität. In einem Jahr soll eine neue Pipeline nach Hetlingen im Kreis Pinneberg fertig sein.
Habeck: "Einstieg in grüne Gasmolekülversorgung"
Vom LNG-Terminal in Brunsbüttel sprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Empfang des Schiffes als "Einstieg in die grüne Gasmolekülversorgung" mit dem langfristigen Ziel, fossiles Erdgas durch klimaneutrale Alternativen zu ersetzen. Grüne Moleküle würden den Weg aus der Kohleverstromung ebnen. Habeck warnte davor, "aus einer Luxusposition heraus Kritik zu üben". Brunsbüttel sei ein Musterbeispiel dafür, schnell und entschlossen zu handeln. Für die Infrastruktur in Brunsbüttel waren Genehmigungsverfahren deutlich verkürzt worden. Brunsbüttel-Ports-Chef Frank Schnabel sprach über "acht Monate harte Arbeit".
Langfristiger Vertrag mit Katar
Bei aller Euphorie über die schnelle Realisation des LNG-Standortes gibt es auch viel Kritik: Bestandteil der neuen Brunsbütteler LNG-Infrastruktur sind zum Beispiel Gasimporte aus Katar. Die Bundesregierung hat mit dem undemokratischen Staat Lieferungen ab 2026 über mindestens 15 Jahre vereinbart.
Protestaktionen gegen die energieintensive LNG-Infrastruktur hatten Klimaschützer für diesen Freitag nicht angemeldet. Vereinzelte Demonstrationen mit Teilnehmerzahlen im niedrigen zweistelligen Bereich seien im Umfeld des Hafens friedlich verlaufen, teilte die Polizei mit: Vor Ort haben demnach zwei kleinere Gruppierungen gegen den LNG-Import protestiert, es kam aber zu keinen Störungen der Zeremonie.
Günther: Infrastruktur eröffnet neue Möglichkeiten
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, dass drei schwimmende Terminals in Deutschland innerhalb von zehn Monaten geschaffen worden seien: "Mit dem schwimmenden Terminal in Brunsbüttel sichern wir unsere Gasversorgung und eröffnen uns zukünftig neue Möglichkeiten, beispielsweise den Wasserstoffimport." Die Infrastruktur in Schleswig-Holstein werde künftig die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern unterstützen, sagte der Regierungschef. Der Energieversorger RWE kündigte an, in Brunsbüttel ein Import-Terminal für grünen Wasserstoff zu bauen. Bis 2026 wolle man 300.000 Tonnen des Gases importieren.
Goldschmidt: "Teamwork der Behörden und Unternehmen"
Schleswig-Holsteins Energieminister Goldschmidt (Grüne) lobte die schnelle Umsetzung des Prozesses: "Das war Teamwork der Behörden und Unternehmen - und ein klares politisches Verständnis, dass so ein Terminal erforderlich ist, um gut über den Winter zu kommen, um auch die Preise wieder in den Griff zu bekommen." Das schwimmende LNG-Terminal soll voraussichtlich bis 2026 flüssiges Erdgas im Brunsbütteler Hafen regasifizieren, also mit Verdampfern in den gasförmigen Zustand umwandeln. Danach wird ein festes LNG-Terminal das Schiff ablösen.
RWE: Keine Chloreinleitung in Brunsbüttel
Anders als das in Wilhelmshaven stationierte LNG-Terminal soll die "Höegh Gannet" bei Reinigungsprozessen kein Chlor in die Elbe einleiten. "Sollte eine Reinigung der Wärmetauscher erforderlich sein, erfolgt diese durch ein einfaches Rückspülverfahren mit Elbewasser, das den Wärmetauscher wieder freispült", teilte Energieversorger RWE mit, der die "Höegh Gannet" im Auftrag der Bundesregierung chartert. Abwasser werde fachgerecht entsorgt und gelange keinesfalls in die Elbe. In Wilhelmshaven wollen die Umweltorganisationen BUND und NABU wegen der Chloreinleitungen in die Nordsee gegen den Weiterbetrieb der "Höegh Esperanza" klagen.
Erster LNG-Tanker wohl Ende Januar
"Der erste LNG-Tanker wird nach heutiger Planung Ende Januar 2023 am FSRU in Brunsbüttel festmachen. Die Ladung wird von der zum Emirat Abu Dhabi gehörenden Insel Das aus verschifft", hieß es von RWE. FSRU ist eine andere Bezeichnung für ein schwimmendes LNG-Terminal, die Abkürzung steht für "Floating Storage and Regasification Unit". Die "Höegh Gannet" soll noch in diesem Monat an die Gasleitungen angeschlossen werden, zunächst ist ein Probebetrieb geplant. Auch während dieses Probebetriebes würde schon Gas ins Netz eingespeist, so das Energieunternehmen. Der kommerzielle Regelbetrieb beginnt laut RWE in der zweiten Februar-Hälfte.
LNG-Kosten: Bis zu 9,7 Milliarden Euro bis 2038
Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert die Kosten für die fünf geplanten staatlich betriebenen LNG-Terminals in Deutschland auf bis zu 9,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2022 bis 2038. Durch sogenannte Regasifizierungsentgelte für die Einspeisung ins Netz will der Bund mit den LNG-Terminals aber auch Geld verdienen. Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven (Niedersachsen) war am Dienstag in den Regelbetrieb gestartet, vergangene Woche weihte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das privatwirtschaftlich betriebene Terminal in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) ein.
LNG-Terminals für fast die Hälfte des deutschen Erdgasbedarfs
Im Brunsbütteler Hafen wollen RWE und Bund in diesem Jahr insgesamt 3,5 Milliarden Kubikmeter regasifiziertes Erdgas ins Netz einspeisen. Nach Fertigstellung einer 55 Kilometer langen Leitung von Brunsbüttel nach Hamburg Ende 2023 soll die Kapazität auf 7,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen. Der Gesamtverbrauch in Deutschland liegt laut Bundeswirtschaftsministerium pro Jahr bei etwa 90 Milliarden Kubikmetern Erdgas. Zusammen mit der privat betriebenen Anlage in Lubmin könnten die schwimmenden LNG-Terminals 30 bis 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas ins Netz einspeisen, heißt es vom Ministerium.
Langfristige Klimaschäden durch üppige LNG-Infrastruktur?
Das "NewClimate Instut" in Köln kritisiert, dass der Umfang der neu geplanten LNG-Infrastruktur im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen Deutschlands steht. "Wenn alle geplanten Terminals in Betrieb sind, könnte Deutschland über Land und See fast zwei Drittel mehr Erdgas importieren als derzeit verbraucht wird", heißt es in der Studie des Kölner Instituts. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte zu der Studie am Donnerstag auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein keine Stellung nehmen. Der Transport von dem auf minus 162 Grad heruntergekühlten LNG mit großen Spezialtankern über den Seeweg gilt als sehr energieintensiv. Auch die Deutsche Umwelthilfe kritisiert die Pläne der Bundesregierung als "überdimensioniert" und ficht die Betriebserlaubnis des neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven an.
Habeck sieht keine Überkapazitäten
Die drei bisher installierten schwimmenden LNG-Terminals liefern laut Habeck jährlich etwa 14 Milliarden Kubikmeter Gas, aus Russland seien zuvor 55 Milliarden Kubikmeter jährlich geflossen. Bis Ende 2023 solle die LNG-Infrastruktur auf eine Kapazität von mehr als 30 Milliarden Kubikmeter ausgebaut werden. Trotzdem könne von Überkapazitäten keine Rede sein.
Umstieg auf Wasserstoff als Energieträger geplant
Die Nutzung von fossilem LNG in Deutschland ist nach Goldschmidts Angaben gesetzlich maximal bis 2043 möglich. Spätestens 2045 müsse Deutschland nach heutiger Gesetzeslage klimaneutral sein. Beim geplanten Umstieg auf Wasserstoff als Energieträger, der mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden soll und somit als grünes Gas gilt, wird voraussichtlich Ammoniak eine wichtige Rolle spielen. Die Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff ist einfacher zu transportieren als Wasserstoff, stellt aber höhere Anforderungen an die Infrastruktur als LNG.