Gemeinden streiten um Straßenbau-Beiträge
"Sowas kann es doch gar nicht geben. Das ist für mich einfach nicht akzeptabel", regt sich Angela Bröhl aus Pansdorf bei Lübeck auf. Sie musste für den Ausbau ihrer Straße den sogenannten Ausbaubeitrag bezahlen, bisher 750 Euro - für die Rentnerin eine happige Summe. Und die Endabrechnung kommt erst noch. Rentnerin Bröhl muss zahlen - doch die Anlieger der nächsten kreuzenden Straße müssen für den Ausbau nicht mehr aufkommen. Denn diese ist erst mit dem nächsten Bauabschnitt dran - doch mittlerweile hat Pansdorf die Bürgerbeteiligung am Straßenausbau abgeschafft.
Kommunen entscheiden selbst über Kosten
Denn die Landesregierung in Kiel hat es den Kommunen in Schleswig-Holstein kürzlich selbst überlassen, ob sie beim Straßenausbau weiterhin die Bürger zur Kasse bitten oder nicht. Bisher mussten die Kommunen die Anlieger am Straßenausbau beteiligen, seit Januar können sie nun selbst entscheiden, ob sie den Anwohnern Teile der Kosten für die Sanierung der Fahrbahnen auferlegen oder das Geld selbst aufbringen.
Bei den Städten und Gemeinden sei das Thema ganz richtig aufgehoben, findet der Vorsitzende der CDU-Fraktion Tobias Koch, der die Gesetzesänderung im Landtag angeschoben hat: "Die Kommunen entscheiden, ob und wie die Straßen ausgebaut werden. Deshalb halten wir es für richtig, dass die Kommunen auch die Entscheidungshoheit über die Finanzierungsfragen haben", so Koch.
Umstrittene Gesetzgebung
Das Gesetz ist bei den Bürgern aber auch bei einigen Kommunalpolitikern umstritten. Denn ob eine Gemeinde ihre Bürger belasten muss, hängt an Ende davon ab, ob sie es sich leisten kann, auf die Beteiligung der Bürger zu verzichten. Das Land würde den Kommunen einen finanziellen Ausgleich geben, sagt CDU-Mann Koch: "Wir haben vorhandene Bundesmittel in Form von 30 Millionen Euro eins zu eins an die Kommunen weitergeleitet und als Bundesland noch einmal um 15 Millionen aufgestockt."
Allerdings hätten die Gelder des Bundes die Gemeinden ohnehin bekommen, ganz unabhängig vom neuen Gesetz - und auch die Landesmittel müssen die Kommunen nicht für die Entlastung der Bürger verwenden. "Aus unserer Sicht - von einer kleinen Kommune, die kein Geld im Überfluss hat - ist die Erhebung dieser Beiträge eigentlich unverzichtbar", sagt Thomas Menzel (SPD), Bürgermeister der Gemeinde Ascheberg im Kreis Plön. Die Ascheberger müssen also weiter den Straßenausbau mitfinanzieren.
Der eine muss zahlen - der andere nicht
Doch die neue Entscheidungsfreiheit sorgt für neue Ungerechtigkeiten: "Ich gehe zum selben Bäcker, fahre in denselben Supermarkt, tanke an derselben Tankstelle - warum muss ich hier ein paar tausend Euro abgeben, die mein Nachbar drei Straßen weiter nicht zahlen muss?", fragt sich der Ahrensburger Martin Genwo. Er muss für die neue Beleuchtung in seiner Wohnstraße bezahlen. Zumindest in den nächsten zwei Jahren sollen die Anwohner in Ahrensburg weiter belastet werden. In der Nachbargemeinde Siek wiederum sind die Beiträge jetzt abgeschafft worden und die Bürger müssen nicht mehr selbst für den Ausbau ihrer Wege in die Tasche greifen.
Spannende Kommunalpolitik?
Für CDU-Fraktionschef Koch ist die unterschiedliche Handhabung in den Kommunen kein Problem: "Das ist doch das Spannende an Kommunalpolitik, dass diese Entscheidungen vor Ort getroffen werden und die Bürger auch direkt vor Ort darauf Einfluss nehmen können mit ihrer Wahlentscheidung, wen sie als kommunalen Vertreter wählen." Über eine Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs wird laut der Jamaika-Koalition in Kiel frühestens 2021 wieder diskutiert.