Geflüchtete in SH: Kommunen haben kaum noch Wohnraum
Die Situation ist angespannt: Kreise und Gemeinden in ganz Schleswig-Holstein kommen mit der Unterbringung von Geflüchteten an ihre Grenzen, denn der Wohnraum ist sowieso schon knapp. Ein Flüchtlingsgipfel in Berlin soll Lösungen bringen.
Das Backsteingebäude aus den 1960er-Jahren ist eines der letzten, das von der ehemaligen Schill-Kaserne in Lütjenburg (Kreis Plön) übriggeblieben ist. Jetzt wird das ehemalige Bürogebäude für seine neue Bestimmung hergerichtet: Im Sommer sollen hier Geflüchtete einziehen, vor allem Familien aus der Ukraine. Dann nämlich endet die befristete Nutzungszeit für ein Altenheim, das momentan als Unterbringung genutzt wird.
Kapazitätsgrenzen langsam erreicht
"Wir sind jetzt unheimlich unter Druck, die mittlerweile 81 Flüchtlinge, die in dieser Unterkunft untergebracht sind, in einer neuen Unterkunft unterzubringen", sagt Volker Schütte-Felsche, Ortsvorsteher des Amts Lütjenburg. "Die Kapazitätsgrenze ist langsam, aber sicher erreicht." Deshalb wird jetzt das ehemalige Kasernengebäude - im Besitz der Stadt Lütjenburg - als Unterkunft hergerichtet. Außerdem soll auf dem Gelände noch ein Containerdorf für 50 Personen entstehen. Das allein wird am Ende 2,8 Millionen Euro Kosten, bis alles so ist, dass hier Menschen leben, kochen, duschen und auf Toilette gehen können. Und bis zum 30. Juni muss alles fertig sein.
"Wenn wir Leerstände haben, kriegen wir kein Geld"
Für Schütte-Felsche stecken da mindestens zwei gewaltige Herausforderungen drin: Zum einen muss potenzieller Wohnraum wie die ehemalige Kaserne überhaupt erstmal gefunden und nutzbar gemacht werden, was in Zeiten von Wohnraummangel schwer genug ist.
Und zum anderen: "Wir stehen insgesamt vor einem sehr, sehr hohen finanziellen Risiko, das wir eingehen und nicht wissen, ob das alles auch durch Landes- und Bundesmittel refinanziert wird", sagt Schütte-Felsche. Denn Erstattungen würden über die Belegungszahlen abgerechnet. "Wenn wir Leerstände haben, kriegen wir kein Geld, dann bleiben wir auf den Kosten hängen und das kann es nicht sein." Es gibt zwar eine politische Zusage, Vorhaltekosten für Wohnraum für Geflüchtete zu erstatten, doch bislang existiert dazu keine Förderrichtlinie. Diese befindet sich laut Sozialministerium noch in der hausinternen Abstimmung.
Sager: Mehr Plätze in der Erstaufnahme schaffen
Nicht nur Lütjenburg ist an den Kapazitätsgrenzen beim Wohnraum für Geflüchtete: "Ich höre das aus dem ganzen Land, dass kaum noch Wohnraum zur Verfügung steht", sagt Reinhard Sager (CDU), Präsident des Deutschen Landkreistags. "Wir haben eine angespannte Situation in der Rückmeldung von allen Gemeinden und Kreisen in Schleswig-Holstein." Um die Kreise, kreisfreien Städte und Gemeinden zu unterstützen, müssten Bund und Länder mehr Erstaufnahmeplätze schaffen, fordert Sager.
Außerdem müssten Bund und Länder dafür sorgen, dass die Menschen ohne Bleibeperspektive nicht an die Kommunen weitergeleitet werden, sondern in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben: "Das würde das bei der Unterbringungsfrage schon erheblich Luft in den Handlungsmöglichkeiten schaffen." Außerdem fordert er vom Bund mehr finanzielle Unterstützung: "Ungefähr wieder so wie vor 2021, bis dahin haben wir die Unterbringungskosten bezahlt bekommen. Das ist ausgelaufen. Darüber wollte der Bundeskanzler mit uns reden, das hat er nie realisiert." Eine Forderung, die er nun zum Flüchtlingsgipfel mit nach Berlin nehmen will.
Mehr Geld, mehr Erstintegrationskurse
Laut Sozialministerium sind von den 7.000 Plätzen in den Landesunterkünften derzeit knapp 4.000 belegt. Von dort werden die ankommenden Geflüchteten an die Kreise weiterverteilt, nach einem festgelegten Schlüssel. "Für die ersten Wochen und Monate haben wir in der Regel Landesunterkünfte, wo wir Menschen unterbringen können", sagt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne).
"Aber gerade bei den ukrainischen Geflüchteten ist es so, dass sie gar nicht verpflichtet sind, in der Landesunterkunft zu sein. Sprich: Sie landen direkt in den Kommunen vor Ort." Die Kommunen stünden vor der Herausforderung, dauerhaften Wohnraum zu brauchen, den sie nicht haben, sagt Touré. Im Jahr 2022 hat Schleswig-Holstein rund 39.000 Menschen aufgenommen, rund 31.000 aus der Ukraine. Im Januar 2023 kamen laut Sozialministerium bisher rund 700 Asylsuchende nach Schleswig-Holstein. Genaue Zahlen, wie viele Plätze es in den Kreisen gibt und wie viele Geflüchtete diesen gegenüberstehen, sind schwer zu ermitteln.
"Ich gehe vor allem mit der Erwartung rein, dass der Bund eine Antwort auf die Frage hat, wie wir noch mehr Wohnraum schaffen können, weil das die dauerhafte und zentrale Frage ist, um die es geht", sagt die Ministerin mit Blick auf den Flüchtlingsgipfel in Berlin. Es sei auch völlig klar, dass über Geld gesprochen werden muss. Und noch ein Thema will sie aus Schleswig-Holstein mitnehmen: Momentan fehlten 10.000 Plätze für Erstintegrationskurse im Land, so Touré. Die Kriterien für diese Kurse legt der Bund fest. "Ich erwarte, dass wir darüber sprechen, wie wir die Integrationskurse erhöhen können. Sprache ist der Schlüssel zur Integration."