Für Mütter auf dem Land: Hebamme gründet Geburtshaus

Stand: 03.11.2024 05:00 Uhr

Die Geburtshilfe in Schleswig-Holstein steht seit der Schließung vieler Kreißsäle vor Herausforderungen. Eine Hebamme aus Kappeln möchte jetzt versuchen, die Lücke zwischen Krankenhausgeburten und Hausgeburten zu schließen. Ihr Geburtshaus soll im Februar 2025 eröffnen.

von Stella Kennedy

Mitten auf dem Land in Angeln. Hier arbeitet Hebamme Lena Giesecke aus Kappeln (Kreis Schleswig-Flensburg) daran, für werdende Mütter einen alternativen Geburtsort zu kreieren: ein Geburtshaus. "Frauen haben ein gesetzliches Recht darauf, zu entscheiden, wo sie ihr Baby gebären wollen", sagt Giesecke. In Schleswig-Holstein ist das aber, zumindest wenn man keine Hausgeburt möchte, an immer weniger Orten möglich.

Seit den 2000er Jahren sind von ehemals 25 Kreißsälen nur noch 15 übrig. Geburtshäuser gibt es nur zwei, in Lübeck und Bad Oldesloe. Im Kreis Schleswig-Flensburg ist das spätestens seit der Schließung der geburtshilflichen Station in Eckernförde für Schwangere ein Problem, denn die Anfahrtswege zu den übrig gebliebenen Kreißsälen in Flensburg, Schleswig oder Kiel sind oft weit.

 

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Geburtshaus als sichere Alternative

Noch arbeitet die 38-jährige Hebamme in Kappeln in einer Hebammenpraxis - aber bald soll hier in Twedt, rund 15 Minuten vom Helios Klinikum Schleswig entfernt, ihr Geburtshaus eröffnen. Der Weg zum eigenen Geburtshaus war für Lena Giesecke kein einfacher. Die komplette Finanzierung des Hauskaufs und der Renovierung muss die gebürtige Kappelnerin selbst stemmen.

"Es gab leider keine finanzielle Unterstützung vom Kreis, vom Land, von den Gemeinden, Kommunen." Hebamme Lena Giesecke

Hebamme Lena Giesecke. © NDR
Lena Gieseckes "Geburtshaus Nordlicht" soll im Februar 2025 eröffnen.

"Ich habe einige Stellen angerufen, bei vielen Stellen nachgefragt, dem Ministerium geschrieben und habe leider nur Absagen bekommen in Form von 'Die Töpfe sind leer. Das ist nicht unser Zuständigkeitsbereich. Wir sehen da keine Möglichkeiten. Tolles Projekt, aber wir können sie da leider nicht unterstützen'", erzählt Giesecke. Aufgegeben hat sie nicht.

Crowdfunding-Kampagne soll Geld in die Kasse spülen

Mithilfe von einem engen Kreis an Unterstützerinnen und Unterstützern hat die Hebamme schlussendlich über zwei Bankkredite das Geld für die Umsetzung des Geburtshauses zusammenbekommen. Zudem läuft momentan eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform startnext, über die sie finanzielle Spenden für das Projekt erhält.

Ein Frau geht durch ein Haus, das sich gerade im Bau befindet. © NDR
Das neue Geburtshaus in Twedt ist derzeit noch ein Rohbau. Hier sollen einmal mindestens sieben Geburten im Monat stattfinden.

Sobald das Geburtshaus in Twedt, was momentan noch mitten im Umbau steckt, eröffnet hat, brauchen Giesecke und ihr Team mindestens sieben Geburten im Monat, damit die laufenden Kosten gedeckt werden können. Zum Vergleich: Insgesamt wurden im Jahr 2023 rund 340 Babies außerklinisch geboren. Drei andere Hebammen aus der Gegend agieren dabei als Kooperationspartnerinnen von Giesecke. Sie können die Räumlichkeiten im Geburtshaus für die Geburten der Frauen, die sie betreuen, anmieten.

Lange Anfahrtswege haben Konsequenzen

Ein im Bau befindliches Geburtshaus in Twedt. © NDR
Die ersten Anmeldungen sind schon da. Bis es im Februar losgeht, ist aber noch viel zu tun.

Immer wieder, erzählt die Hebamme, werde sie mit dem Vorwurf konfrontiert, eine außerklinische Geburt sei weniger sicher. Dagegen wehrt sich die Kappelnerin und verweist auf die Konsequenzen der Kreißsaalschließungen. "Wir sprechen davon, dass Kliniken zentralisiert werden sollen, um noch mehr Sicherheit für Mutter und Kind zu schaffen", sagt sie und argumentiert, dass ein gutes medizinisches Setting auch in gewissen Situationen richtig sei. Doch, wenn immer mehr Geburtskliniken schließen, würden die Wege weiter für die Frauen. Von ihrem Geburtshaus ist es, sollte der Ernstfall eintreffen und eine Frau unter der Geburt verlegt werden müssen, nur rund 15 Minuten bis zur Geburtsstation im Helios Klinikum in Schleswig.

Wenn der Parkplatz zum Kreißsaal wird

Momentan, wo es das Geburtshaus noch nicht gibt, heißt es für Frauen in Angeln und Schwansen, dass sie die Autostrecken nach Flensburg, Kiel, Schleswig oder Rendsburg auf sich nehmen müssen.

"Und so kommt es halt immer wieder zu ungeplanten Geburten auf dem Parkplatz im Rettungswagen, zu Hause, ohne Hebammenbegleitung, noch nicht mal mit dem Rettungsdienst. Und da frage ich mich dann schon, wo steckt da das Thema Sicherheit?" Hebamme Lena Giesecke

Gerade für Mütter aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde, wo Ende 2021 die Geburtstation geschlossen wurde, hat das zu einer tragisch-kuriosen Situation geführt. Der an der Bundesstraße zwischen Flensburg und Kiel gelegene Hagebaumarktparkplatz wurde nun schon vier Mal zum Kreißsaal. Er wird seither Storchenparkplatz getauft, der Baumarktleiter stellte sogar zwei Schilder auf. Schon ab Februar kommenden Jahres soll das "Geburtshaus Nordlicht" eröffnen - die ersten Anmeldungen von Schwangeren hat Lena Giesecke schon.

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