Forschungsprojekt aus Kiel: Bakterien als Plastikfresser
Die Doktorandin Johanna Thomsen sucht nach Mikroorganismen, die PET aus eigener Kraft zersetzen können. In ihren Laborversuchen an der Kieler Christian-Albrechts-Universität hat sie schon einen vielversprechenden Kandidaten identifiziert.
Den Blick konzentriert nach unten gerichtet, läuft Johanna Thomsen am Falckensteiner Strand entlang. Immer wieder hält sie an, geht in die Knie und schaut sich das Wasser in den flachen Uferbereichen ganz genau an. Die 26-Jährige sucht nach etwas, das sich mit bloßem Auge kaum erkennen lässt: Mikroplastik, das vom Meer ans Ufer gespült wird. Der Wind ist heute besonders stark, das Wasser unruhig. Doch Johanna lässt sich davon nicht beirren – und sucht immer weiter. Nach einer halben Stunde hat sie Erfolg: Ein knallblaues, kleines Stück Plastik schwappt ihr entgegen. Die Biologin strahlt über das ganze Gesicht. "Das ist eindeutig Mikroplastik, das könnte Lack von einem Schiff sein oder etwas Ähnliches“, sagt sie und packt die Probe in ein mitgebrachtes Reagenzglas.
Die Vision: PET besser recycelbar machen
Johanna geht es vor allem um die Bakterien, die zu Tausenden auf dem Mikroplastik sitzen. Denn während einige von ihnen das kleine Stück Plastik nur als Transportmittel durch den Ozean nutzen, gibt es andere, die sich vom Plastik ernähren – und es so langsam zersetzen. Diese Mikroorganismen sind es, die Johanna im Labor finden will. "Theoretisch könnten solche Bakterien uns irgendwann helfen, PET-Plastik schneller und besser zu recyclen. Aktuell ist das bei dieser besonders stabilen Kunststoffverbindung noch sehr schwierig", so die Doktorandin.
Zwei Jahre Forschung stecken bereits im Projekt
Seit gut zwei Jahren sucht sie im Rahmen ihrer Promotion nach den Bakterien, die sich am besten als Plastikfresser eignen. Auch ihre heutige Probe ist Teil dieser Suche. Johanna ist inzwischen vom Strand zurück ins Uni-Labor gefahren und hat ihre dicke Jacke gegen einen Laborkittel getauscht. Sie steht vor einem kastenförmigen Ultraschall-Gerät, das alle Bakterien von der Oberfläche ihres Fundes isoliert. Anschließend setzt die Forscherin die Bakterien in einen sogenannten Inkubator – eine Art Brutkasten, in dem sie theoretisch immer weiterwachsen können. Zum Essen gibt’s für alle Bakterien allerdings nur Mikroplastik. "Wenn wir sehen, dass sie sich vermehren, dann bedeutet es auch, dass diese Bakterien Mikroplastik sehr wahrscheinlich auch abbauen können", erklärt Johanna das entscheidende Experiment.
Das Problem: Bakterien "fressen" nur langsam
Ein besonders vielversprechendes Bakterium hat Johanna bereits gefunden. Es hat sich mithilfe des Mikroplastiks bereits gut vermehrt. Ihren Forschungsstand bespricht die Doktorandin regelmäßig mit ihrer betreuenden Professorin Ruth Schmitz-Streit. Auch sie sieht großes Potential in dem Forschungsprojekt, betont aber, dass es sich hierbei noch um Grundlagenforschung handelt: "Grundsätzlich ist es so, dass die richtigen Bakterien eigentlich wirklich alles zersetzen können. Das Problem ist aber, dass Bakterien in der Natur nur relativ langsam arbeiten. Ihnen ist es ja egal, wie lange es dauert, bis sie ein Stück Mikroplastik abgebaut haben."
Forschung noch am Anfang
Johanna Thomsen will mit ihrer Forschung deswegen noch einen Schritt weitergehen – und versuchen, die Aktivität der Bakterien und der von ihnen produzierten Enzyme im Labor zu beschleunigen. Bis diese Prozesse schnell genug sind, um PET im großen Stil zu recyclen, sei es zwar noch ein langer Weg, sagt Johanna. Abbringen lassen will sie sich davon aber nicht. "Es ist toll, wenn man weiß, wofür man aufsteht, und man zumindest ein bisschen was tun kann im Kampf gegen die Plastikverschmutzung", sagt sie und hängt für heute ihren Laborkittel zurück an die Wand.