Flensburger Waldkindergarten als Trendsetter
Der erste Waldkindergarten Deutschlands feiert jetzt sein 25-jähriges Bestehen. Eröffnet wurde er in Flensburg und von dort aus ging die Idee durch die ganze Republik. 1.500 Waldkindergärten gibt es mittlerweile in Deutschland - und das Konzept wird sogar schon in andere Länder exportiert, wie die NDR Info Perspektiven berichten.
Der Vormittag im Kindergarten ist für die meisten Kinder die schönste Zeit des Tages. Hier treffen sie ihre Freunde und können mit einer Menge Spielzeug spielen. Das Toben und Auspowern an der frischen Luft ist allerdings meistens nur für eine kurze Zeit möglich. In einem Waldkindergarten ist das anders. Da gibt es kein Spielzeug, sondern nur die Kinder und ihre Fantasie - und das, wie der Name schon verrät, mitten im Wald.
Rund 20 Kinder toben jeden Vormittag in der Marienhölzung, ein Wald in Flensburg. Einer von ihnen ist der fünfjährige Oscar. Sein Gesicht und seine Hände sind voller Matsch. Er bastelt mit Dingen, die er im Wald findet: "Das ist ein Boot. Ich hab so Rindenstücke gefunden, dann hatte ich noch eine Hacke. Damit habe ich ein Loch reingehackt. Und dann hab ich da die Hacke reingesteckt. Da guckt es raus und da hab ich Blätter für ein Segel reingemacht", erklärt er aufgeregt.
Viel Überzeugungsarbeit führte zum Ziel
Hier im Flensburger Waldkindergarten gibt es kein Spielzeug. Drei Erzieher passen auf, dass beim Spielen nichts passiert. Eine von ihnen ist Petra Jäger. Vor 27 Jahren hat sie in Dänemark von dem ungewöhnlichen Konzept erfahren. Gemeinsam mit einer Freundin wollte die Erzieherin dann den ersten Waldkindergarten Deutschlands eröffnen. Zwei Jahre verhandelte sie mit Stadt und Land. Damals war Dr. Harald Otto aus dem Sozialministerium für die beiden zuständig und hatte einige Bedenken. Sie erinnert sich an seine Nachfragen: "Wie werden die Kinder auf die Schule vorbereitet? Wie ist der Umgang mit Papier und Bleistift? Wenn die Kinder nun mit Bucheckern und Moos spielen, wird dabei auch die Feinmotorik geschult?"
Konzentration durch Ausgeglichenheit
Nach den Zweifeln aus der Verwaltung gab es dann doch die Zusage, erinnert sich Petra Jäger - und sie konnte starten. Nach 25 Jahren ist sie sich immer noch sicher, dass die Kinder auch ohne Papier und Bleistift hier auf ihre Zukunft vorbereitet werden: "Wir haben immer das Gefühl, wir müssen den Kindern etwas oben reinfüttern - mit Bildungsansätzen. Dass das Kind aber von alleine kreativ ist und das machen möchte und auch so auf die Welt kommt, dafür können wir nur schwer den Blick behalten. Ich hab selbst in einem Hauskindergarten gearbeitet, aber sitzen lernt man nicht durch sitzen. Sich zu konzentrieren lernt man, wenn man sich ausgeglichen fühlt. Dann ist man bereit für Neues und motiviert, Neues aufzunehmen."
Kinder lernen Naturbewusstsein und gutes Sozialverhalten
Renee Asmussen wusste zunächst auch nicht, ob seine Kinder in einem Waldkindergarten gut genug für die Schule vorbereitet werden. Mittlerweile besuchen seine beiden Kinder diesen Kindergarten in Flensburg: "Lernen sie denn irgendwie malen und schreiben? Oder Motorik? Also die können alle absolut gut klettern, die haben Naturbewusstsein. Das Sozialverhalten ist gut durch die gemischte Gruppe - das wundert mich immer wieder, selbst als Elternteil", erzählt er. Und das spricht sich offenbar rum. Mittlerweile muss Petra Jäger viele Eltern vertrösten, weil ihre Gruppe voll ist.
Eine Idee wird zum Exportschlager
Wenn sie selber nicht im Wald ist, fliegt sie mehrmals im Jahr um die Welt. Dort hilft sie Pädagogen, das Wald-Konzept umzusetzen. Zuletzt war sie in Italien. "Die haben jetzt vor fünf Jahren den ersten Waldkindergarten gegründet. Und mittlerweile finden fast wöchentlich Neugründungen statt. Die sind auch schon einen Schritt weiter und haben Waldschulen gegründet." Das ist das nächste Ziel der Flensburgerin. Die erste Natur-Schule Deutschlands. Immerhin gibt es schon eine Arbeitsgruppe dafür und Gespräche mit Stadt und Land.