Feld statt Supermarkt: Ackern fürs eigene Gemüse
Bohnen, Rote Bete, Zucchini und Co. auch ohne eigenen Garten ernten: Landwirt Marco Rostermund vermietet in Altenholz bei Kiel kleine Ackerflächen an Städter, die Lust aufs Buddeln, Hacken und Gießen haben.
"Guck mal, die anderen haben ein Netz über den Kohl gelegt. Sollen wir das auch so machen?", Silke Detering blickt nachdenklich auf das Stückchen Acker nebenan. "Ich bin absolute Anfängerin und habe eigentlich null Ahnung, was zu tun ist", sagt die 51-Jährige lachend. Gemeinsam mit ihrem Partner Philip Stahl und den beiden Kindern Frederik und Fabrizio ist sie trotzdem unter die Gemüsegärtner gegangen. Für eine Saison hat sich die Familie auf dem Feld von Landwirt Marco Rostermund ein Stück Acker gemietet, der fertig bepflanzt und eingesät ist - mit insgesamt 20 Gemüsesorten.
Einmal die Woche raus aufs Feld
Von Mai bis Oktober radelt die Familie einmal in der Woche die rund sechs Kilometer von Kiel-Schilksee nach Altenholz im Kreis Rendsburg-Eckernförde, um auf der Parzelle Nummer 68 heranwachsende Erbsen, Radieschen, Kohlrabi und Co. zu hegen und zu pflegen. Dann hacken alle gemeinsam Beikraut, gießen die Pflanzen, säen nach.
"Wir haben zuhause nur einen Mini-Garten, aber wollten es unbedingt einmal ausprobieren, selbst Gemüse anzubauen", erklärt Silke Detering. Mittlerweile hat sich Marco Rostermund zur Familie gesellt. "Ja, legt gerne ein Netz über die Pflanzen. Das hält gerade vom Kohl Schädlinge fern und schützt vor Wind", rät er und packt auch gleich mit an.
Unkomplizierter Zugang zum Gärtnern
Insgesamt 150 Parzellen vermietet der studierte Landwirt auf dem familieneigenen Acker nördlich des Nord-Ostsee-Kanals. Jedes Stückchen Land misst 40 Quadratmeter. Für 220 Euro können die Mieter einen Sommer lang gärtnern und laufend feldfrisches Gemüse in Bio-Qualität ernten. Die nötige Ausrüstung wie Gießkanne und Co. steht bereit. "Für mich ist das ein richtig gutes Modell", erklärt Marco Rostermund. "Ich bereite die Felder vor, pflanze, säe und dünge, muss aber das Gemüse nicht vermarkten. Und ich habe direkten Kontakt zu den Menschen, die hier gärtnern. Das macht Spaß." Vergleichbare Mietacker-Projekte gibt es in Schleswig-Holstein auch in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Plön und Stormarn.
Der 29-Jährige, der die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt, möchte allen Menschen die niedrigschwellige Möglichkeit bieten, sich auf dem Acker auszuprobieren. In den sogenannten "Ackersprechstunden" steht er mit Rat und Tat zur Seite. Neben dem Mietmodell bietet er auch Kindergartengruppen und Schulklassen die Möglichkeit, bei ihm auf dem Feld zu gärtnern. Demnächst möchte er zudem Hochbeete aufstellen, damit auch Kinder im Rollstuhl mitmachen können.
"Gemüse schmeckt intensiver"
Auf Parzelle Nummer neun hackt Mona Fenske Unkraut. Sie ist Wiederholungstäterin und teilt sich zum zweiten Mal ihre Parzelle mit einer Freundin. "Die Fehler aus dem ersten Jahr werde ich dieses Mal nicht wiederholen", sagt sie schmunzelnd. "Ich werde zum Beispiel nicht vergessen, nachzusäen. Letztes Jahr waren die Beete irgendwann einfach leer." Vor allem auf den frischen Spinat freut sich die 70-Jährige. "Der war letztes Jahr so lecker, wir haben uns die Finger danach geleckt."
Auch Anja Detlef weiß den Geschmack des selbst geernteten Gemüses zu schätzen. "Das schmeckt viel intensiver als aus dem Supermarkt." Sie kommt ebenfalls bereits im zweiten Jahr und ackert zwei- bis dreimal in der Woche gemeinsam mit Tochter Malea und Sohn Jannis. "Wir haben im letzten Jahr so viel ernten können, dass ich angefangen habe einzufrieren und einzukochen. Ich habe viele neue Rezepte kennengelernt", freut sie sich. "Außerdem spart man bei den aktuell hohen Lebensmittelpreisen auch Geld."
Sehen, wie das Essen wächst
"Guck mal, man sieht schon ein Radieschen", schallt es ein paar Meter weiter aus begeistertem Kindermund. Auf Acker Nummer 68 hat der achtjährige Fabrizio beim Gießen die erste Ausbeute in spe entdeckt. "Das können wir bald ernten", freut sich auch Silke Detering. "Dass wir hier als Familie so viel lernen und gemeinsam Zeit verbringen, ist toll", findet sie. "Und wir sehen, wie unser Essen heranwächst."