Durch EC-Zahlung: Offenbar Trend zu weniger Trinkgeld für Servicekräfte
Der Wirtschaftswissenschaftler Sascha Hoffmann von der Fresenius-Hochschule forscht zum Thema Trinkgeld. Er sagt, dass Menschen bei der Kartenzahlung häufiger vergessen, Trinkgeld zu geben. Ändern soll sich das durch neue Funktionen in Bezahlterminals.
Seine Kunden bestellen bei ihm die klassischen Gerichte der italienischen Küche: Pizza oder Pasta. Seit mehr als 20 Jahren leitet Alberto Moliterno das Restaurant "Fantasia bei Alberto" in Norderstedt (Kreis Segeberg). "Früher", sagt er, "vor Corona, war der Laden hier brechend voll. Egal, ob mittags oder abends. Heute sind hier viel weniger Menschen." Aber andere Restaurants hätten es nicht geschafft, deshalb sei er froh, dass es sein Lokal noch gebe.
Weniger Trinkgeld als früher
Denn auch nach der Pandemie hätten die Herausforderungen nicht abgenommen. Es kam die Inflation, dann der Wegfall der Steuererleichterungen für Restaurants. Das wirkt sich auch auf das Trinkgeld aus. "Wir machen alles mit Liebe", sagt der Italiener, aber verstellen wollen sie sich nicht, um von den Kunden mehr Trinkgeld zu bekommen. "Nein, wir tun nichts. Wir sind wir. Und wenn ich woanders bin und sehe, dass die Bedienung keine Lust hat, dann kriegt der von mir ja auch kein großes Trinkgeld. Wenn er aber freundlich und nett rüberkommt, gibt man ja gerne einen Euro mehr."
Wirtschaftswissenschaftler: Bei Kartenzahlung wird Trinkgeld oft vergessen
Der Wirtschaftswissenschaftler Sascha Hoffmann von der Fresenius-Hochschule forscht zum Thema Trinkgeld. Er sagt, dass Menschen, wenn sie mit der Karte zahlen, häufiger vergessen, überhaupt Trinkgeld zu geben. Mit Folgen für die Kellnerinnen und Kellner: "Das ist erst mal ein Trend, der für die Servicekräfte bedauerlich ist, weil sie sind zu einem Großteil auf die Trinkgelder angewiesen, um ein vernünftiges Einkommen zu haben. Und wenn das reduziert wird, ist das problematisch." Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Viele Servicekräfte würden sich, so der Experte, nach beruflichen Alternativen umschauen.
EC-Terminals schlagen Trinkgeldhöhe vor
Ändern soll sich das durch neue Funktionen in Bezahlterminals. Dabei werden den Kunden Vorschläge zur Trinkgeldhöhe gemacht. Ob sie zum Beispiel fünf, zehn oder 15 Prozent Trinkgeld geben wollen. Sascha Hoffmann wertet das als Schritt in die richtige Richtung: "Das ist positiv für den Gast, weil er aus der Überlegung rauskommt: Wieviel Trinkgeld soll ich geben? Was ist ein angemessener Betrag? So eine Funktion kann entlastend wirken." Denn der Moment, in dem bezahlt wird, sei für Kunden eine Stress-Situation, sagt Sascha Hoffmann. Viele Kunden würden überlegen, ob man Trinkgeld überhaupt per Karte geben dürfe oder ob man das bar erledigen müsse. Dabei sei Trinkgeld für die Servicekräfte immer steuerfrei, egal wie man es bezahlt.
Vorsicht vor manipulativen Designs
Aufpassen müsse man trotzdem, sagt Sascha Hoffmann: "Tür und Tor sind in einer solchen Stresssituation für manipulative Designs geöffnet, mit denen der Gast dazu gebracht wird, mehr Trinkgeld zu geben, als er eigentlich in einem ruhigen Moment bereit wäre zu geben." Das würde im Nachhinein bei Kunden häufig zu Frust führen. In Deutschland sei eine Trinkgeldhöhe von etwa sieben bis zehn Prozent üblich.
Selber rechnen oder Vorschlag annehmen?
Alberto Moliternos Gäste haben kein Problem damit, wenn ihnen bei der Kartenzahlung ein konkretes Trinkgeld vorgeschlagen wird. Susanne Graham sagt: "Mir ist es gar nicht so oft passiert bisher, dass es diese Möglichkeit gab, aber das würde ich vorziehen, als wenn ich es selbst draufrechnen müsste." Tobias Lehmann sagt: "Ich habe auch Bekannte, Verwandte, die als Kellner arbeiten. Ich weiß, dass die auch drauf angewiesen sind, dass sie Trinkgeld bekommen." Alberto Moliterno will diese Funktion bei sich dennoch nicht einführen: "Ich möchte die Leute nicht unter Druck setzen. Wenn die Leute es geben wollen, geben sie es und wenn nicht, tut es ein Anderer."