Windkraftanlagen zwischen Stromleitungen auf einer großen Wiese © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
Windkraftanlagen zwischen Stromleitungen auf einer großen Wiese © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
Windkraftanlagen zwischen Stromleitungen auf einer großen Wiese © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske
AUDIO: Die Energiewende immer im Blick: Windbranchentag in Husum (5 Min)

Drei Prozent Windkraftfläche in SH - aber erst mal Stillstand?

Stand: 26.04.2023 20:04 Uhr

Auf dem Windbranchentag in Husum hat Umweltminister Goldschmidt neue Windkraftpläne angekündigt - die bisherigen stehen durch ein Gerichtsverfahren auf der Kippe. Das kann den Ausbau ausbremsen.

von Peer-Axel Kroeske

Vier bis fünf Windräder pro Tag müssten deutschlandweit bald täglich errichtet werden, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einiger Zeit gesagt - aktuell ist es etwa eines. Dabei bleibt die Gesamtzahl etwa gleich, da große Anlagen kleinere ersetzen. Was noch nötig ist, um die Ausbauziele der Energiewende zu erreichen, ist auf dem Windbranchentag in Husum (Kreis Nordfriesland) am Mittwoch lebhaft diskutiert worden. Gut 22 Prozent des Windkraft-Zubaus in Deutschland entfielen im vergangenen Jahr auf das relativ kleine Schleswig-Holstein. Doch damit könnte schon bald wieder Schluss sein.

2015 sorgte ein Gerichtsbeschluss für Stillstand

Die Regionalpläne regeln, wo Windparks in Schleswig-Holstein entstehen dürfen. Sie stehen wieder einmal auf der Kippe. Vor einem Monat hat das Oberverwaltungsgericht in Schleswig entschieden, dass die gerade erst in Kraft getretenen Pläne unwirksam sind. Ein ähnlicher Beschluss sorgte 2015 bereits für fünf Jahre weitgehenden Stillstand beim Ausbau. Das neue Urteil ist noch nicht rechtskräftig und betrifft zunächst nur den nördlichen Bereich Schleswig-Holsteins. Doch die Branche ist unruhig.

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Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) kündigte auf dem Branchentag in Husum die Flucht nach vorn an: Drei statt bisher zwei Prozent der Landesfläche könnten mit nochmals erneuerten Regionalplänen für Windparks reserviert werden. Aus dem Forum kam daraufhin gleich die Frage, ob diese drei Prozent dann auch tatsächlich bebaut werden dürften? Denn bisher können Windparks aufgrund von Einschränkungen nur auf gut der Hälfte der ausgewiesenen Flächen entstehen, heißt es aus der Branche.

Abstand zu Wohngebäuden bleibt unverändert

Goldschmidt strebt nun nach eigenen Angaben die vollen drei Prozent an. Um dahin zu kommen, will er Vorgaben ändern: "Zum Beispiel Abstände zu Stromleitungen oder zu bestimmten Vogelhorsten. Es gibt nur einen Ausschluss, den wir auch im Koalitionsvertrag festgelegt haben - der Abstand zur Wohnbebauung wird nicht verändert."

Der Umweltminister will Tempo machen. Für ihn bedeutet das: Bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 sollen die neuen Regionalpläne in Kraft sein. Offen bleibt, was bis dahin passiert, wenn sich der Gerichtsentscheid bestätigt.

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Bundesverband Windenergie: Behörden brauchen mehr Mut

Aber auch wenn Flächen generell bereit stehen, warten Windpark-Projektierer oft lange auf Genehmigungen. Sieben Monate sollen die Verfahren künftig maximal dauern. Doch die Frist gilt erst, wenn alle Unterlagen vorliegen. Deren Eingang zu bestätigen - damit ließen sich die Kreisverwaltungen oft Zeit, sagte die Vizepräsidentin des Bundesverbandes Windenergie, Bärbel Heidebroek, in Husum. Zudem stellte sie fest: "Es hat ganz viel mit Mut machen zu tun, dass man eben Entscheidungen trifft und nicht im Zweifel sagt: 'Wenn ich nichts entscheide, entscheide ich halt auch nichts Falsches.'"

Lieferprobleme setzen Windparkbetreiber unter Druck

Sobald die Genehmigung erteilt ist, beginnt der Countdown für die Windparkbetreiber: 24 Monate haben sie Zeit, die Anlagen zu bauen, sonst steht die Vergütung für den Strom auf dem Spiel. Das kann knapp werden, weiß Unternehmer Christian Andresen aus Sprakebüll (Kreis Nordfriesland): "Wir haben das in unserem Projekt erlebt. Wir müssen jetzt neuerdings selber die Trafos bauen, wenn wir über eine bestimmte Megawattzahl kommen. Das kostet sehr viel Geld, und die Lieferzeiten haben sich verdoppelt. Man kann irgendwann komplett den Vergütungsanspruch verlieren."

Strom nutzen, wo er entsteht - die Westküste als "neues Ruhrgebiet"?

Wenn neue Anlagen dann trotz aller Widrigkeiten in einigen Jahren aufgestellt sind und zusätzlich Windenergie von der See in Norddeutschlands Netze drückt, fehlen voraussichtlich immer noch ausreichend Hochspannungsleitungen, um einen Teil der Energie nach Süddeutschland zu liefern. Dann müsse man sie eben vor Ort nutzen, meint Melf Melfsen vom Bürgerwindpark Ockholm-Langenhorn (Kreis Nordfriesland).

Melfsen findet: "Wir müssen nicht auf Trassen warten, die nicht kommen, sondern wir müssen das neue Ruhrgebiet werden." Damit spielt er darauf an, die Energie dort zu verbrauchen, wo sie entsteht. Melfsen hofft nun auf Signale aus der Politik, dass grüner Wasserstoff konkurrenzfähig wird. Dazu müsste der bisher aus Erdgas produzierte Wasserstoff mit einem hohen CO2-Preis belegt werden, womit widerum Zuschüsse für grünen Wasserstoff finanziert werden könnten.

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Windpark-Login-Seiten über Google

Mit der Cybersicherheit von Windparks hatte der Windbranchentag diesmal einen speziellen Schwerpunkt. Im vergangenen Jahr war ein Satellit für die Fernwartung der Anlagen ausgefallen. Hacker hatten einen Satelliten angegriffen, über den auch ukrainische Kommunikation lief. Doch es geht auch einfacher: Vor 600 Branchenvertretern im Saal demonstrierte IT-Experte Mohamed Harrou, wie leicht sich mit Google die zum Teil unverschlüsselten Login-Seiten älterer Windparks auffinden lassen.

Unverschlüsselte Passworteingabe - einfach fahrlässig

Im schlimmsten Fall ließe sich die Netzfrequenz und damit die Stabilität des Stromnetzes negativ beeinflussen, sagte der Profi-Hacker. Dies sei reine Fahrlässigkeit, nicht nur bei Windkraftanlagen: "Es sind auch Industriesteuerungen, Talsperren, Gefängnistüren, man findet im Internet alles. Bei einer unverschlüsselten Seite kann man sich als Mann in der Mitte einschleusen und einfach warten, bis jemand die Zugangsdaten eingibt. Man hackt den Router der Anlage und schneidet den Verkehr mit." Doch genau so einfach sei es, die Anlagen zu sichern. Meist reichten schon 15 Minuten dazu aus, sagte Harrou.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 26.04.2023 | 16:30 Uhr

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