Dialyse zu Hause: Mehr Lebensqualität, weniger Kosten

Stand: 10.03.2025 11:41 Uhr

Nur vier Prozent der rund 3.300 Dialysepatienten in Schleswig-Holstein machen die Bauchfelldialyse selbstständig zu Hause. Dabei hat die Methode Vorteile - nicht nur für die Patienten.

von Karen Jahn

Eine Frau hängt an einer Bauchfelldialyse. © NDR
Viermal am Tag, sieben Tage die Woche: Ina Doll muss ihre Bauchfelldialyse regelmäßig zu Hause durchführen.

Wenn sich Ina Doll in das kleine Zimmer unter dem Dach ihres Hauses in Flintbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde) zurückzieht, muss es steril zugehen. Die Dialysepatientin ist eine der Wenigen im Land, die ihre Blutwäsche selbstständig zu Hause macht - per Bauchfelldialyse, auch Peritonealdialyse genannt. "Hände desinfizieren und Maske tragen ist Pflicht", sagt die 53-Jährige. Denn an ihrem Katheter, den sie als Zugang für das Dialysat in die Bauchhöhle implantiert bekommen hat, besteht bei nicht ausreichender Hygiene Infektionsgefahr. Vier mal am Tag, sieben Tage die Woche muss sich Ina Doll die Spüllösung in den Bauchraum laufen lassen, und nach ein paar Stunden wieder ablassen. Diese Prozedur dauert jedes Mal etwa eine halbe Stunde.

Bauchfelldialyse: Eine unterschätzte Methode der Nierenbehandlung

Eine Grafik skizziert grob den Ablauf einer Dialyse. © UKSH
Das Bauchfell filtert mithilfe einer Spüllösung überschüssiges Wasser und Giftstoffe aus dem Körper.

Gerade einmal vier Prozent der rund 3.300 Dialysepatientinnen und -patienten in Schleswig-Holstein nutzen die Bauchfelldialyse, bei der das körpereigene Bauchfell überflüssiges Wasser und Giftstoffe aus dem Körper filtert. Bei der Bauchfelldialyse führen Dialysepatienten zu Hause ihre Behandlung eigenverantwortlich durch: Eine glukosehaltige Lösung - das Dialysat - läuft über einen implantierten Katheter in die Bauchhöhle ein. Sie ist vom Bauchfell ausgekleidet. Vier bis sechs Stunden bleibt die Lösung im Körper und umspült das Bauchfell. Dadurch treten Schadstoffe aus den Blutgefäßen in das Dialysat über. Während dieser Zeit können sie Patient sich frei bewegen. Danach wird die Lösung wieder abgelassen - und der Vorgang wiederholt.

Eine Alternative zur Hämodialyse

Die allermeisten Betroffenen werden mit der herkömmlichen Hämodialyse behandelt, bei der die Blutwäsche eine Maschine außerhalb des Körpers übernimmt. Die Patientinnen und Patienten müssen dafür drei Mal die Woche jeweils vier bis sechs Stunden in die Praxis.

Ina Doll erlitt Ende des vergangenen Jahres einen Nierenstau und wurde dadurch zur Dialysepatientin. Auch sie wurde zunächst an die Hämodialyse angeschlossen, habe aber schnell gemerkt, dass das "Herumliegen und Nichtstun" nichts für sie war, erzählt sie. "Meine Ärzte haben dann recht schnell gesagt, dass es auch die Bauchfelldialyse gibt. Und dass die gerade für Menschen, die noch im Leben stehen und arbeiten, eine sehr gute Alternative ist."

Dialyse zu Hause: Eine Erleichterung im Alltag

Für sie sei das die richtige Methode, sagt sie. Trotz Dialyse könne sie so in Teilzeit als Buchhalterin in einer Steuerkanzlei arbeiten und auch sonst fast alles machen wie vorher. Einschränkungen spüre sie keine, während sie die zwei Liter Spüllösung im Bauchraum habe. "Nur die Zeit tickt im Hintergrund, denn spätestens nach sechs Stunden muss ich den Beutel wechseln und dann schnell nach Hause."

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Projekt SKIP-SH: Mehr Aufmerksamkeit für Bauchfelldialyse

Dr. Kevin Schulte ist Leiter der "Sektorenübergreifenden Koordinierungsstelle zur nachhaltigen Intensivierung der Peritonealdialyse in Schleswig-Holstein", kurz SKIP-SH. Mit dem vom Land in Höhe von 500.000 Euro geförderten Projekt möchte der Nierenspezialist mehr Patienten in die Bauchfelldialyse bringen. "Strukturelle Rahmendingungen haben die Bauchfelldialyse ins Hintertreffen gebracht. Dadurch ist das Verfahren auch weniger im ärztlichen Bewusstsein vorgekommen und wurde weniger gelehrt und trainiert", bedauert er. Er ist überzeugt, dass das Verfahren ebenbürtig mit der Hämodialyse ist. Die Koordinierungsstelle arbeitet unter anderem eng mit niedergelassenen Praxen zusammen, implantiert die für die Bauchfelldialyse nötigen Katheter und schult auf Wunsch die Patientinnen und Patienten.

... © NDR
Dr. Kevin Schulte leitet ein Projekt am UKSH in Kiel. Das Ziel: Er möchte mehr Patienten in die Bauchfelldialyse bringen.

Schulte sieht in Sachen Bauchfelldialyse eine Win-Win-Win-Situation. Zum einen seien die Patienten viel unabhängiger und flexibler, weil die regelmäßigen und langen Praxisbesuche wegfielen. Zudem brauche es dadurch auch weniger Pflegepersonal pro Patienten, gerade in Zeiten des Fachkräftmangels sei das ein wichtiger Faktor. "Außerdem können durch den Wegfall der Fahrtkosten zur Hämodialyse pro Patient und Jahr 8.000 bis 10.000 Euro eingespart werden."

Mehr Patienten für Bauchfelldialyse geeignet

Ina Doll muss als Bauchfelldialyse-Patientin nur noch einmal im Monat zur medizinischen Kontrolle nach Kiel. Ihr behandelnder Nierenspezialist Dr. Reiko Steinbach ist überzeugt, dass noch viel mehr Patientinnen und Patienten für das Verfahren geeignet wären. "Es kommt vor allem für diejenigen infrage, die körperlich in der Lage sind, mit den Zwei-Liter-Beuteln zu hantieren und keine Erkrankungen wie entzündliche Veränderungen im Bauchraum haben", sagt er. Allerdings müssten die Betroffenen natürlich bereit sein, die Eigenverantwortung für die Therapie zu Hause zu übernehmen. Auf unbegrenzte Dauer sei die Bauchfelldialyse nicht anwendbar, so der Nephrologe, sechs bis acht Jahre aber durchaus möglich. "Danach verändert sich die Beschaffenheit des Bauchfells, sodass man dann aber problemlos auf die Hämodialyse wechseln kann."

Nicht unterkriegen lassen

Ina Doll würde sich gerne auf die Transplantationsliste setzen lassen. "Eine neue Niere wäre schon cool", sagt sie. Unterkriegen lassen möchte sich sich nicht. "Das ist zwar keine schöne Krankheit, aber es gibt noch Schlimmeres."

 

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Schleswig-Holstein Magazin | 05.03.2025 | 19:30 Uhr

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