Demos gegen Rechtsextremismus: Jetzt wird es auch auf dem Land laut
Seit diesem Wochenende zeigt sich auch im ländlichen Raum breiter Protest gegen Rechtsextremismus. Ein Besuch in Heide, wo dreimal so viele Menschen kamen wie erwartet.
Es ist kurz nach neun Uhr, als die ersten Menschen mit Fahnen, Tüchern und Plakaten durch die Fußgängerzone von Heide zum Südermarkt laufen. Zwei Rentner-Paare aus Albersdorf zum Beispiel, die ihren Namen nicht nennen wollen, aber gerne sagen, warum sie demonstrieren gehen: "Wir haben in Frieden gelebt, und das sollen unsere Kinder und Kindeskinder auch können", sagen sie. "Lange hat man gedacht, man könnte mit der AfD und ihren Anhängern umgehen - ein Irrtum." Auf ihren Plakaten steht "Wir sind bunt und so wird es bleiben" und "AfD = Faschismus".
Es dauert noch eine knappe Stunde, bis die Demo beginnt, die das Bündnis "Dithmarschen ist bunt" angemeldet hat, um für Demokratie, Solidarität und Vielfalt einzutreten. Genau genommen meldete sie Raimon Raske an. Er ist 41 Jahre alt und Erzieher, ein Mann mit Brummstimme, Fünftagebart und Hoodie, der unter einer schwarzen Jacke hervorschaut. Raske steht neben einem Pritschenwagen, auf dem Helfer gerade noch die Lautsprecher verkabeln. Er verteilt weiße Armbinden mit der Aufschrift "Ordner".
1.500 Demonstrierende in Heide - und ein "Gefühl des Unbehagens"
Raske hat Erfahrung mit dem Anmelden von Demos, die ersten organisierte er gegen die "Montagsspaziergänger" während Corona. Damals gründete sich "Dithmarschen ist bunt" – und Raske stand in der ersten Reihe. Das hat auch dazu geführt, dass auf "Telegram" plötzlich sein Name und Bilder von ihm auftauchten, sagt Raske: "Mir macht das keine Angst, aber ein Gefühl des Unbehagens, das ist schon dabei."
Als Raske die Bühne betritt und die Demo eröffnet, ist davon wenig zu spüren. Zu diesem Zeitpunkt stehen etwa 1.500 Menschen auf dem Südermarkt, dreimal so viele wie erwartet. Raske schreit den Grund dafür ins Mikrofon: "Wir merken, dass etwas faul ist!" Er spricht zum Beispiel von den Landvolk-Fahnen, die zuletzt bei den Bauernprotesten geweht hätten, während die AfD Erbsensuppe serviert habe. Und von dem „Ausländer raus“-Gegröle von Partybesuchern in einer Disco.
Demo gegen Rechtsextremismus: Für viele das erste Mal
Dass sich etwas verschiebt im Land, von diesem Gefühl berichten auch viele der Menschen, die zu der Demo gekommen sind. Auffallend ist, wie viele von ihnen erzählen, zuvor noch nie oder sehr selten demonstriert zu haben - so wie Mirka Schlöricke aus Heide: "Ich glaube, dass es Zeit ist, dass die Anständigen laut werden", sagt sie.
Als Grund, weshalb sie heute zur Demo gekommen ist, nennt Mirka Schlöricke vor allem die Wahlerfolge der AfD. "Aber auch, dass man plötzlich Meinungen von Menschen hört, die man ihnen nie zugetraut hätte", sagt Schlöricke. Sie ist mit ihrem Mann und ihrer achtjährigen Tochter auf den Südermarkt gekommen: "Vielleicht haben wir die Verhältnisse, in denen wir leben, auch zu lange als selbstverständlich betrachtet."
Eltern mit Kindern: "Ihnen Werte vorleben"
An diesem Vormittag sind viele Eltern mit Kindern zu sehen, zum Beispiel auch Anna von Moers-Schnepel aus St. Michaelisdonn. Sie ist mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und zwei anderen Familien nach Heide gefahren. "Ich denke, dass die Teilnahme an einer Demo etwas ist, das man auch als Eltern von zwei Kindern und mit wenig Zeit gut schafft", sagt sie. "Ich halte es auch für wichtig, den Kindern Werte vorzuleben und ihnen zu zeigen, dass man nicht allein und nicht machtlos ist."
Anna von Moers-Schnepel findet es gut, dass nun auch in Heide, Husum und anderen kleineren Orten demonstriert wird. "Es ist wichtig, dass jetzt auch die Menschen auf dem Land aufstehen, laut werden und dafür auch weitere Wege gehen und mehr Aufwand in Kauf nehmen als vielleicht Menschen in der Stadt", sagt sie.
Auf der Bühne sprechen neben Raimon Raske noch sieben weitere Redner und Rednerinnen, darunter zum Beispiel der Bürgermeister der Stadt Heide und die Präsidentin der Fachhochschule Westküste, aber auch die Heider Ratsfrau Hülya Altun. Sie betont: "Ich rede hier nicht als Politikerin, sondern als Migrantin." Altun kritisiert, dass rechte Ideologen es geschafft hätten, Begriffe zu prägen und sie in den Sprachgebrauch auch von anderen, demokratischen Parteien zu überführen – als Beispiel nennt sie "irreguläre Migration".
Weiter Flagge zeigen: Nächste Demo steht schon fest
Den Umgang mit Rechtsextremisten und rechter Sprache, den kritisieren auch Gisela und Karl-Heinz Melsa aus Elpersbüttel. Gisela Melsa gehört zu den Menschen, die das erste Mal überhaupt auf einer Demo sind, während ihr Mann schon für die Wiedervereinigung auf die Straße ging – 1989 war das. "Es geht einfach nicht mehr", sagt Gisela Melsa. "Jahrelang wurde auf den linken Rand geschaut – und der rechte ignoriert." Ihr Mann stimmt zu und sagt, dass es in Deutschland bereits einmal eine Diktatur gegeben hat und er durchaus die Gefahr einer Wiederholung sieht. "Wichtig ist, dass wir jetzt zusammenstehen – und nicht nur einmal, sondern kontinuierlich Flagge zeigen", sagt Karl-Heinz Melsa.
Dass es dazu weiter Gelegenheit geben wird, verspricht Raimon Raske zum Schluss der Demo. "Heute war erst die Generalprobe", sagt Raske ins Mikrofon. "In einer Woche geht es weiter – und ich hoffe, dass jeder, der heute hier ist, einen weiteren Menschen mitbringt." Vom Parkplatz "Im Grund" soll es am 3. Februar dann einen Demonstrationszug über die Stadtbrücke in die Innenstadt geben. Startzeit: 13 Uhr.