Darum verlost ein Rentner 20.000 Euro unter 30-Jährigen in Steinburg
Die Vermögensungleichheit nimmt hierzulande zu. Eine Stiftung will dem mit einem "Grunderbe" für alle 30-Jährigen entgegenwirken. Ihr Gründer ist mit der Forderung gerade im Kreis Steinburg unterwegs, während ein Volkswirt bessere Instrumente sieht.
Als Christoph Prüm die Tür zum umgebauten Laderaum seines alten Mercedes 806 öffnet, schlägt einem die Hitze entgegen. "Das ist die Bodenheizung", sagt Prüm. "Die wird durch einen Generator gespeist, der auch ein Einfamilienhaus beheizen könnte." Prüm hat die Heizung selbst installiert, schließlich ist der Süddeutsche Heizungsbaumeister.
Seit 2010 ist Christoph Prüm auch Vorsitzender der Stiftung "Ein Erbe für jeden" und als solcher in der vergangenen Woche mit seinem bedruckten Oldtimer-Lkw nach Itzehoe in den Kreis Steinburg gekommen. Nur, um 20.000 Euro an einen 30-jährigen Menschen zu verschenken - und damit für eine Sache zu werben, mit der er nicht weniger schützen will als die Demokratie: das sogenannte Grunderbe.
Gegen Ungleichheit: 20.000 Euro zum 30. Geburtstag?
Jungen Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt wie dem 18. oder 30. Geburtstag eine größere Summe Geld zu schenken oder gleich bei Geburt: Diese Idee diskutieren Wissenschaftler und Politiker schon länger angesichts der zunehmenden Vermögensungleichheit in Deutschland. Denn Erbschaften sind hierzulande sehr ungerecht verteilt - dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin zufolge erbt lediglich rund ein Viertel überhaupt eine größere Summe.
Auch der Volkswirt Sebastian Köhne von der Uni Kiel sagt, dass es neben einer großen Ungleichheit beim Einkommen eine noch viel größere Ungleichheit beim Vermögen gebe. Erbschaften spielten dabei eine entscheidende Rolle. "Und wenn wir in die Zukunft blicken, wird vererbtes oder geerbtes Vermögen in unserer alternden Gesellschaft immer stärker zur Vermögensungleichheit beitragen", prognostiziert Köhne.
Stiftungsgründer Prüm: Leben ist ein unfaires Spiel
Christoph Prüm sieht dadurch am Ende auch die Demokratie in Gefahr: "Ein großer Teil der politischen Macht liegt beim Kapital. Das lässt sich auch nicht grundsätzlich ändern, aber was wir verändern können, das ist die Verteilung des Kapitals", meint er und vergleicht das Leben mit einem Monopoly: "Man muss sich vorstellen, dass einem von zehn Spielern bei Spielbeginn bereits zwei Drittel der Straßen und des Geldes gehört - ein sehr unfaires Spiel", erklärt Prüm.
Der 74-Jährige will daran etwas ändern und die Startchancen junger Leute zumindest etwas angleichen. Dafür ist er mit seinem Lkw in den Kreis Steinburg gekommen, in dem es einen Wohnbereich mit Dusche und Bett und ein Büro gibt: ein Tisch mit Computer und Monitor am Kopf des Raumes, einer Pritsche für Gäste an der einen und einen langen Tisch an der anderen Seite, auf dem Prüm Flyer und Plakate zuschneidet, um sie in der Stadt zu verteilen.
Geld reicht insgesamt für drei "Grunderbschaften"
Seit drei Jahren verlost die Stiftung jedes Jahr ein Grunderbe in drei Kreisen beziehungsweise Stadtbezirken bundesweit. In diesem Jahr verschenkt Prüm nicht nur im Kreis Steinburg Geld, sondern auch in Borken in Westfalen und im Kölner Bezirk Lindenthal. Mehr als drei solcher "Grunderbschaften" kann sich die Stiftung nicht leisten - sie finanziert sich vor allem durch die Einlage eines einzelnen Unternehmers.
Das gesetzliche Grunderbe, das der Stiftung vorschwebt, würde sich hingegen über Einnahmen einer "echten" Erbschaftssteuer finanzieren, wie Prüm sagt. Dem 74-Jährigen zufolge würde es reichen, lediglich größere Erbschaften ab einem Freibetrag von 400.000 bis 800.000 Euro pro Bürger sukzessive zu besteuern: "Von den 300 bis 400 Milliarden Euro, die jährlich an Vermögen vererbt werden, würden fünf Prozent reichen, um allen 30-Jährigen 20.000 Euro zu schenken." Die Auszahlung soll ein zweckgebundener Fonds übernehmen.
Volkwirt: Geld lieber nicht per Gießkanne verteilen
Volkswirt Sebastian Köhne verweist darauf, dass sich die Vermögensungleichheit damit nicht grundlegend verändern würde - und es auch andere Möglichkeiten gebe, dieser zu begegnen. "Grundsätzlich halte ich es für richtig, hohe Erbschaften stärker zu besteuern", sagt Köhne. "Anstatt ein Grunderbe einzuführen und das Geld damit per Gießkannenprinzip zu verteilen, könnte der Staat es aber auch gezielt für eine bessere Bildung, eine gerechtere Wohnungspolitik oder für Kreditprogramme für junge Gründer nutzen."
Auch Christoph Prüm behauptet nicht, mit der Zahlung von 20.000 Euro alle Probleme lösen zu können. "Ich finde es aber wichtig, dass jeder ein Stück des Kapitals bekommt und damit auch an den Umgang mit Kapital herangeführt wird", sagt er. "Zudem mag der Betrag angesichts der anderen, riesigen Summen klein wirken - für den Einzelnen kann er eine enorme Sicherheit bedeuten, die sich beruflich wie privat auswirken kann."
Die Frage, ob Erben stärker besteuert werden sollten, ist auch immer wieder Thema in politischen Debatten und Wahlkämpfen - eine politische Mehrheit gibt es dafür aktuell nicht im Bundestag. Und auch das Verfassungsgericht beschäftigt sich immer wieder mit dem Thema: In diesem Jahr werden noch zwei Entscheidungen der Karlsruher Richter erwartet.
1.104 mögliche "Erben" im Kreis Steinburg
Deshalb auch die Altersgrenze von 30: "Da ist man in einer Phase, wo man im Job und Privaten die Weichen stellt", erklärt Prüm und verweist auf Statistiken, nach denen diejenigen, die überhaupt etwas erben, heutzutage meistens zwischen 50 und 60 Jahre alt sind. "Da passiert nichts mehr", sagt Prüm.
Im Kreis Steinburg gibt es exakt 1.104 Menschen, die ins Raster der Stiftung fallen und sich für die Verlosung des einen "Grunderbes" im November anmelden können. Bislang haben sich keine 30 Personen dafür beworben. "Erfahrungsgemäß", erzählt Christoph Prüm in seinem Lkw, "machen das maximal auch nur 15 Prozent der Berechtigten - selbst da, wo wir über Einwohnermeldeämter Daten bekommen haben und sie direkt anschreiben konnten."
Warum sich am Ende scheinbar so wenige für das Grunderbe interessieren - für Christoph Prüm ist das eine "interessante Forschungsfrage" für die Wissenschaft.