D-Day: Elmshorner stirbt 1944 als amerikanischer Soldat
Der 6. Juni 1944 ging als D-Day in die Geschichte ein. In der Normandie begann eine unfassbar blutige und an Menschenleben verlustreiche Schlacht. Was hat das mit Schleswig-Holstein zu tun? Ein Elmshorner war damals dabei. Allerdings kämpfte er nicht für die deutsche Wehrmacht.
4.400 alliierte Soldaten sterben am so genannten D-Day beim Sturm auf die Normandie am 6. Juni 1944. Einer davon ist der gebürtige Elmshorner Wilhelm Heinrich Münster. Er kam als Auswanderer 1923 in die USA, wird Amerikaner und Fallschirmjäger. Dann kommt er ausgerechnet durch deutsche Soldaten ums Leben.
Die Operation Overlord soll die Entscheidung bringen
Der 6. Juni soll die Entscheidung bringen. Rund 150.000 alliierte Soldaten machen sich am frühen Morgen auf dem Weg zum Sturm auf die Normandie - auf das von den Nazis besetzte Westeuropa. Zuvor hatte sich Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, mit einem Appell an die Soldaten gewandt: "Soldaten, Seeleute, Piloten des alliierten Expeditionskorps (...). Wir werden die unterdrückten Völker Europas von der Nazi-Tyrannei befreien und für unsere Sicherheit in einer freien Welt sorgen."
Ein Soldat erinnert sich, was er gedacht hat, als die Landungsboote sich der Küste nähern: "Wir hatten Angst. Wer keine Angst hatte, war verrückt. Natürlich waren außer mir auch viele andere Jungs durchgeknallt. Aber Angst hatten wir trotzdem." Einer, der auch dabei ist, ist Private First Class William Henry Muenster, Fallschirmjäger der amerikanischen Armee - ein Elmshorner, der im Begriff ist, gegen sein Geburtsland in den Kampf zu ziehen. "Das muss auch für ihn auf dem Weg dahin schon nicht leicht gewesen sein", sagt Jan Teegen. Der Barmstedter forscht seit Jahren zu William H. Muenster. William ist ein Verwandter von ihm.
Die Geschichte beginnt in Elmshorn
In Elmshorn wird William Henry Muenster am 13. Januar 1921 geboren. Allerdings als Wilhelm Heinrich Münster. Ahnenforscher Jan Teegen läuft durch den Sägeberg, eine kurze Stichstraße in der Nähe des Elmshorner Hafens. Hier stand das Haus der Familie Münster. "Hier hat die Familie gewohnt, bevor sie 1923 ausgewandert ist." Das weiß er aus Adressbüchern.
Er hat zwei Fotos aus den frühen Zwanzigerjahren in der Hand, darauf sind Williams Großeltern zu sehen. Sie stehen vor dem Haus, damals gab es zu jedem Haus einen Garten. "Davon ist nichts mehr zu sehen", sagt Jan Tegen. Er schaut sich um: "Keine Erinnerung, keine Spur. Man weiß ja nicht mal, ob der Straßenverlauf noch so ist wie früher." Das sei natürlich schade. Aber die Fotos seien schließlich ungefähr 100 Jahre alt und im zweiten Weltkrieg seinen die Häuser hier durch Bombenangriffe zerstört worden. Insgesamt sei es schwer, Informationen zu finden, aber "wir müssen tiefer graben, in Archive gehen und schauen, was sich finden lässt."
Die Recherche ist erfolgreich
Er findet einiges: Wilhelm Heinrich Münster ist zwei Jahre alt, als er mit seinen Eltern und seinen zwei Geschwistern in die USA auswandert - über das Auswandererhaus und den Hamburger Hafen - mit der Hamburg-Amerika-Linie, am 23. April 1923. Zwei Brüder seines Vaters lebten da bereits seit einigen Jahren im US-Bundesstaat Iowa. Torben Knye vom Hamburger Auswanderermuseum BallinStadt kennt hunderte solcher Geschichten.
Allein 1923 seien ungefähr 120.000 Menschen aus Deutschland in die USA ausgewandert. Damit erreichte die Auswanderungswelle aus dem deutschen Reich seinen Höhepunkt. "Ganz klar hing das auch mit der Hyperinflation zusammen und mit der politischen Lage, den Wirren der Weimarer Republik", sagt Knye. "Die meisten Menschen, die damals aus Deutschland ausgewandert sind, sind tatsächlich aus wirtschaftlichen Gründen ausgewandert. Die haben hier keine Perspektive mehr gesehen, haben wirtschaftliche Probleme gehabt, und da war es natürlich wahnsinnig hilfreich, Verwandte zu haben in den USA, die natürlich auch über Briefe so was vorbereitet haben."
Aus Wilhelm Heinrich wird William Henry
Wilhelms Vater ist Tischler und die Mutter Schneiderin, Berufe, die in den USA gebraucht werden. Die Familie lebt sich ein und aus Wilhelm Heinrich wird William Henry. Und er wird nicht nur Amerikaner, sondern er wird auch Soldat, tritt im Dezember 1943 in die Armee ein und meldet sich zu den Fallschirmjägern. Dann kommt der D-Day, der 6. Juni 1944. Rund 150.000 alliierte Soldaten gegen 30.000 Wehrmachtssoldaten. Die hatten sich in Bunker-Anlagen entlang des sogenannten Atlantik-Walls an der Küstenlinie der Normandie verschanzt.
Aus Berichten von überlebenden amerikanischen Soldaten ist bekannt, dass sich die Soldaten durchaus bewusst waren, dass der Sturm auf die Normandie hart werden würde. Doch das, was dann folgt, konnte sich keiner vorstellen. Sie beschreiben es später als "die Hölle auf Erden". Die am Strand anlandenden Soldaten werden zu Tausenden von den Wehrmachtssoldaten erschossen.
Muenster stirbt am D-Day
Die Verluste sind enorm. Mehr als 4.000 alliierte Soldaten sterben allein an diesem Tag im Kampf für ein freies Europa. Gleich am ersten Tag stirbt auch William Munster - der gebürtige Elmshorner - im Kampf gegen das Heimatland seiner Vorfahren. Jan Teegen resümiert: "Er konnte sein Leben nicht leben. Er war jung, er war nicht verheiratet. Er hätte seinen ganzen Leben noch vor sich gehabt. Dass ist ihm durch diesen Kriegseinsatz genommen worden."
336 Tage nach Muensters Tod kapituliert Nazideutschland
Mit welchen Gedanken William Henry Muenster in die Schlacht gezogen ist, ob er unerschrocken war oder Angst hatte, ist unbekannt. Sicher ist: Von da an dauert es noch 336 Tage, bis der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der Nazis zu Ende geht. Und der ehemalige Schleswig-Holsteiner gehört zu denen, die dafür gestorben sind. Bis 1949 liegt William Henry Muenster auf dem großen Friedhof über dem Invasionsstrand - dann holen seine Eltern ihn nach Hause. Nach Amerika.