Corona: Schleswig-Holstein kündigt Ende der Isolationspflicht an
In einer Pressekonferenz im Landeshaus in Kiel hat die Landesregierung am Freitag das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie vorgestellt. Unter anderem wird die Isolationspflicht aufgehoben.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) und Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) haben am Freitag erklärt, wie es mit den Corona-Regeln in Schleswig-Holstein weitergeht.
SH hebt Isolationspflicht auf
Die gravierendste Änderung: Schleswig-Holstein schafft die fünftägige Isolationspflicht für Corona-Infizierte ab. Das Land hat sich mit Bayern, Baden-Württemberg und Hessen darauf geeinigt, die generelle Isolationspflicht für positiv getestete Personen aufzuheben, wie aus einer Mitteilung der Gesundheitsministerien vorab hervorging.
Wer positiv getestet ist, soll stattdessen künftig für fünf Tage eine Maske in Innenräumen tragen müssen. Außerdem gilt in dem Fall ein Betretungsverbot für Besucherinnen und Besucher von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Auch Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen dürfen bei einem positiven Test nicht zur Arbeit kommen.
Medizinisches Personal, zum Beispiel in Krankenhäusern, kann dagegen arbeiten, wenn es mit dem Hygienekonzept vereinbar ist. Das kann zum Beispiel heißen, dass positiv getestete Mitarbeitende zur Arbeit kommen können, wenn sie keine Symptome haben und eine FFP2-Maske tragen. Die Änderungen sollen ab Mitte der kommenden Woche gelten. Ministerpräsident Günther betonte zudem, der Grundsatz "Wer krank ist, bleibt zu Hause" bleibe bestehen.
Außerdem sprach die Landesregierung die Empfehlung aus, auf anlasslose Tests bei symptomlosen Personen zu verzichten. Das sei kein notwendiges Mittel mehr, so Günther.
Günther für Ende der Maskenpflicht im ÖPNV
Auch die anderen staatlichen Maßnahmen sollen Stück für Stück auslaufen. So kündigte Günther an, die Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht über den 31. Dezember hinaus verlängern zu wollen. Man hoffe dabei auf ein einheitliches Vorgehen in den Bundesländern.
Pandemie wird zur Endemie: Situation unter Kontrolle
Der Ministerpräsident sprach von "Schritten in Richtung Normalität". Er begründete das Vorgehen damit, dass die Situation in Schleswig-Holstein unter Kontrolle sei. Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten befinde man sich im Übergang von einer Pandemie zu einer Endemie. Zudem verwies er auf die hohen Impfquoten im Land.
Monika Heinold sagte: "Es ist nicht die Zeit, sich in sein individuelles Schneckenhaus zu verkriechen, sondern wir wollen als Gesellschaft zusammenhalten." Dennoch wolle man auch denjenigen Sicherheit geben, die der Aufhebung der Regeln bisher skeptisch gegenüber standen. "Wir wollen keine Spaltung aufgrund der Aufhebung von Maßnahmen."
Günther übt weiter Kritik am Bund
Günther erneuerte bei der Pressekonferenz auch seine Kritik am Vorgehen des Bundes. Es sei kein fachlicher Austausch möglich, so der Ministerpräsident. Unter anderem wolle die Bundesregierung keine Neueinschätzung der Situation durch das Robert-Koch-Institut einholen.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach warnt
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte das Vorgehen einen Fehler. "Das kommt jetzt zur Unzeit und findet nicht die Billigung der Bundesregierung", sagte er. Es gebe auch keinen medizinischen Grund, auf die Isolationspflicht jetzt zu verzichten. Es gebe etwa 1.000 Todesfälle durch Covid pro Woche, man stehe vor einer "wahrscheinlich schweren Winterwelle" und sei "am Vorabend einer ansteckenderen Variante".
Forschung zu Long-Covid, Unterstützung für Kinder
Die Landesregierung kündigte weiterhin an, Forschung zu Long- und Post-Covid zu unterstützen. Außerdem soll das Unterstützungsangebot für Kinder ausgebaut werden, die unter der Corona-Pandemie und den Maßnahmen besonders gelitten haben. Vor allem Kinder und Jugendliche seien von psychischer Belastung betroffen, auch Gewalt gegen Kinder habe zugenommen, so Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter. "Darum wollen wir die psychosoziale Versorgung verbessern und die Kinderschutzzentren stärken."
Opposition begrüßt Entschärfung der Regeln - SPD fordert Isolationsrecht
In einer Anhörung im Landtag hatten zuvor mehrere Medizinerinnen und Mediziner zu einer Neubewertung der Corona-Lage geraten. Sie schlugen unter anderem Entschärfungen bei Schutzmaßnahmen wie Isolations- und Maskenpflicht vor. Außerdem appellierten sie an die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Auch die Oppositionsfraktionen FDP und SSW hatten sich für eine Abschaffung der Isolationspflicht ausgesprochen.
Dementsprechend begrüßte die FDP die Ankündigungen: "Endlich schlägt die Landesregierung den richtigen Kurs ein und schafft die Isolationspflicht ab", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg. Der Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt bezeichnete die Entscheidung als überfällig.
Die Abschaffung der Isolationspflicht müsse ein Isolationsrecht nach sich ziehen, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller. Wer die Pflicht abschafft, muss allen Infizierten Menschen das Recht einräumen, zu Hause zu bleiben - unabhängig von Symptomen. Auch ohne diese könne man Mitmenschen anstecken.
Bildungsgewerkschaft GEW: "Absolute Fehlentscheidung"
Die Bildungsgewerkschaft GEW bezeichnete die Aufhebung der Isolationspflicht als "absolute Fehlentscheidung". Die Landesvorsitzende Astrid Henke befürchtet, dass sich der Personalmangel in Kitas und Schulen verschärfen wird, weil sich Lehrkräfte und Erziehende bei infizierten Kindern anstecken. Es drohten Gruppenschließungen und Unterrichtsausfall.
Kritik aus anderen norddeutschen Bundesländern
Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg wollen bei der Linie Schleswig-Holsteins zunächst nicht mitziehen. Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) hält die Aufhebung der Isolationspflicht "epidemiologisch für grundfalsch". Auch Personen, die keine Symptome haben, könnten das Virus weitertragen. Bei anderen Regelungen zeigte sich das Land zuletzt aber offen für eine Entschärfung, so sprach sich Behrens für eine Aufhebung der Maskenpflicht für Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen aus.
In Hamburg soll die Isolationspflicht für Corona-Infizierte ebenfalls nicht abgeschafft werden, sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Martin Helfrich, am Freitag. Es müsse dazu bundeseinheitliche Regeln geben. "Eine uneinheitliche Änderung nun zu Beginn der Atemwegserkrankungs-Saison, die womöglich im Verlauf des Winters angesichts hoher genereller Krankenstände wieder zurückgenommen werden müsste, scheint uns hingegen nicht zweckdienlich", so Helfrich.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) sagte am Freitag, eine Lockerung der Isolationsregeln sollte aus ihrer Sicht nicht vor der erwarteten Corona-Infektionswelle im Winter erfolgen. Die CDU-Fraktion in Schwerin hätte sich dagegen gewünscht, dass die Landesregierung beim Ende der Isolationspflicht mitgeht.