CCS: Risikoabwägung im schleswig-holsteinischen Landtag
Die CCS-Technologie ist umstritten, aber Wissenschaftler sehen sie als Möglichkeit, zumindest einen Teil der CO2-Emissionen zu drücken. Im Landtag haben die Abgeordneten Experten aus verschiedenen Bereichen angehört und Input bekommen - auch aus Dänemark, wo inzwischen auf CCS gesetzt wird.
Auf die Schnelle rettet CCS das Klima nicht. Und schon gar nicht allein. Das war nach der Befragung der ersten Wissenschaftler im Umwelt- und Agrarausschuss schnell klar: Sollte die CCS-Technologie in Deutschland tatsächlich zur Anwendung kommen, dann würde es dauern. Gesetzliche Regelungen müssten her, es müsste geforscht werden und der Transport - etwa über Pipelines - müsste geplant werden.
Wissenschaftler: CCS ist kein Allheilmittel
Vor 2040 wird das nichts, waren sich die Wissenschaftler einig. "Sie haben als Ziel, 2040 klimaneutral zu sein. Das heißt, da können Sie sich nicht darauf verlassen, dass CCS ausreichen wird", sagte etwa Dr. Pao-Yu Oei, Professor für Ökonomie der Transformation von Energiesystemen an der Europa-Universität Flensburg. Trotzdem sollte es erforscht werden, so Oei. Es sei aber "kein Allheilmittel". Der Landtag hatte im Januar nach einer emotionalen Debatte über das Thema eine Expertenanhörung beschlossen. Beim "Carbon Capture and Storage"-Verfahren (CCS) wird Kohlendioxid in tief gelegene Gesteinsschichten gepresst.
Experten: Keine Hochrisikotechnologie, aber auch kein Grund für Begeisterung
Ein flammendes Plädoyer für die Technologie hielt keiner der Gäste. Dr. Klaus Wallmann, Professor von der Forschungseinheit Maritime Geosysteme vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, sagte zwar, dass die Risiken - etwa Erdbeben oder Leckagen - beherrschbar seien. CCS sei aber nicht die Lösung des Klimaproblems, denn es könne nur etwa fünf Prozent der Emissionen einfangen. "Es gibt keinen Grund, in Begeisterung auszubrechen, wenn man CCS machen muss", so Wallmann. Er empfiehlt einen runden Tisch auf Landesebene. Die gesetzlichen Grundlagen müsse der Bund schaffen.
Dr. Christian Baatz, Juniorprofessor für Klimaethik, Nachhaltigkeit und Globale Gerechtigkeit an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, sah ein "moralisches Versagen" bei der Politik. Die möglichen Risiken von CCS müsse man gegen die Risiken des Klimawandels abwägen. "Hätte man in den 1990er Jahren auf die Umweltschützer gehört, dann hätte man die Debatte gar nicht", so Baatz.
Gegner demonstrieren vor dem Landtag
Einige Umweltschützer hatten vor Beginn der Sitzung gegen die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid in der Nordsee demonstriert. Ein Bündnis des BUND mit Organisationen wie Fridays for Future und Greenpeace erklärte, CCS berge große Risiken für Umwelt und Natur und sei zudem volkswirtschaftlicher Unsinn. BUND-Meeresschutzreferentin Stefanie Sudhaus sagte in der Anhörung, bei Leckagen könnten Nährstoffe aus dem Meeresboden freigesetzt werden - das trage zur Überdüngung des Meeres bei. Stattdessen sollte man "endlich vorwärtskommen mit der CO2-Vermeidung".
Dr. Reinhard Knof von der Bürgerinitiative "Gegen das CO2-Endlager" berichtete, die bisherigen CCS-Projekte hätten ihre Ziele nicht erreicht. Karsten Smid von Greenpeace bemängelte einen "enormen Lobbydruck" aus Energiewirtschaft und Schwerindustrie, die das Thema CCS vorantrieben. Die Vertreter von Fridays for Future sehen Risiken bei der Technologie, könnten sich aber unter bestimmten Bedingungen vorstellen, dass CCS ein "möglicher Weg" ist. Wenn, dann aber nur vorübergehend - bei schwer vermeidbaren Emissionen. Die gibt es derzeit etwa in der Zementindustrie oder bei Müllverbrennungsanlagen.
Dänischer Weg: Technik ist kein Problem
Dänemark hat inzwischen entschieden, das umstrittene Verfahren zu nutzen. Zwei Pilotprojekte gibt es dort schon: Das Projekt Greensand etwa. Dabei verpresst das Unternehmen Wintershall Dea zusammen mit Partnern CO2 unter der Nordsee. Ein Schiff liefert das Gas von einer belgischen Chemiefabrik an.
Im Ausschuss stand Dr. Anne-Mette Cheese von Wintershall Dea Rede und Antwort. Sie betonte, man habe die technischen Fähigkeiten. CCS-Projekte seien in den vergangenen 20 Jahren nie aus technischen Gründen gescheitert, sondern aus finanziellen oder regulatorischen Gründen. Mit Blick auf mögliche Risiken stellte sie klar, die Prozesse würden ständig überwacht. Auch für Cheese ist CCS aber nur eine Maßnahme von vielen, Teil eines "Portfolios", wie sie sagte.
Die Abgeordneten nehmen unterschiedliche Botschaften mit
Für die SPD-Fraktion ist nach der Anhörung klar, es müsse zunächst einmal erst alles getan werden, um CO2 einzusparen und zu vermeiden, bevor sich die Frage stelle, "welche unvermeidbaren CO2-Ausstöße übrigbleiben und ob sich für diese Mengen die relativ teuren und aufwendigen CCS-Strukturen überhaupt lohnen", so der SPD-Abgeordnete Marc Timmer.
Die FDP steht einer möglichen CO2-Speicherung unter der Nordsee auch nach der Anhörung weiter offen gegenüber. "Die Landesregierung sollte umgehend einen breit angelegten Dialogprozess zu CCS starten", meint der umweltpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Oliver Kumbartzky. Und die CDU-Politikerin Cornelia Schmachtenberg sagt: "Wenn wir unsere ambitionierten Klimaschutzziele in der verbleibenden Zeit erreichen wollen, brauchen wir weitere technologische Innovationen und dürfen uns technischen Lösungen nicht einfach verschließen. Dafür braucht es eine offene Diskussion."