Behörden überlastet: Lange Wartezeiten für Geflüchtete
Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland leben, müssen regelmäßig ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen. Einige warten schon seit Monaten darauf. Doch in den Ämtern fehlt das Personal.
Mehrere Ukrainer warten vor der Ausländerbehörde des Kreises Ostholstein in Eutin. Sie versuchen es ohne Termin, auf gut Glück, bei drei Grad Außentemperatur. Wer eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, muss sie alle drei Monate verlängern lassen. Herein kommt in die Behörde ohne Termin erstmal keiner. Die Geflüchteten hoffen, irgendwie trotzdem durchgelassen zu werden. "Wir haben online versucht eine Anfrage zu machen, das funktioniert grundsätzlich zwar, aber es dauert ewig, bis man eine Antwort bekommt", erzählt eine Frau aus der Ukraine. Sie wartet schon seit drei Monaten auf einen Termin. Plötzlich öffnet sich die Tür der Behörde: Eine Mitarbeiterin ruft einen Namen. Ihrer ist es nicht. Offensichtlich hat jemand seinen Termin nicht wahrgenommen. Die Tür knallt wieder ins Schloss. Die Ukrainerin kommt nicht rein, sie hat heute kein Glück.
Wer keine Aufenthaltsgenehmigung hat, macht sich strafbar
Natalia Krasnova ging es ähnlich. Vor einem Jahr ist sie aus Kiew in der Ukraine nach Deutschland geflohen, mit ihrer Tochter Sonja. Die sitzt im Rollstuhl, ist schwerbehindert. Beide leben jetzt auf Fehmarn (Kreis Ostholstein). "Unser erster Bescheid ist im Oktober auslaufen," erzählt sie. "Die Verlängerung unserer Aufenthaltsgenehmigung sollte eigentlich per Post kommen. Der Bescheid kam dann viel zu spät und wir waren drei Monate quasi illegal in Deutschland", so Krasnova auf Ukrainisch über die Eutiner Behörde. Als der Bescheid dann endlich kam, sei das Papier nur noch ein paar Wochen gültig gewesen und sie mussten es wieder verlängern lassen. Im Februar verschärft sich dann die Situation: Ihre Tochter wird krank. "Ich habe dann viele Mails auch an verschiedene Sachbearbeiter geschrieben. Darin habe ich versucht meine Situation zu erklären, dass ich ein schwerbehindertes Kind habe und dass die Kosten für die Medizin meine Ersparnisse auffressen." Eine Antwort sei aber einfach nicht gekommen. "Noch ein paar Tage und wir hätten nicht mal mehr Geld für Brot gehabt", erzählt die Ukrainerin. Denn: ohne Bescheid kein Schwerbehindertenausweis, keine Übernahme von Behandlungskosten, kein Geld. Wer keine Aufenthaltsgenehmigung hat, muss in Deutschland zudem eine Geld- oder Freiheitsstrafe fürchten.
Spontaner Termin aus Mitleid
Im Februar ist die Verzweiflung der Mutter dann so groß, dass sie es vor Ort versucht, spontan, ohne Termin. Sie lädt ihr schwerbehindertes Kind in das Auto eines Bekannten. Der fährt beide die 70 Kilometer von Fehmarn zur Ausländerbehörde nach Eutin. "Als wir ankamen, hat ein Mitarbeiter gesehen, dass meine Tochter im Rollstuhl sitzt und hat uns ohne Termin durchgelassen", berichtet die Frau aus Kiew. Die anderen in der Schlange hätten draußen stehen bleiben müssen.
Der zuständige Kreis Ostholstein begründet die Probleme auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein schriftlich:
"Insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist es derzeit kaum möglich, weiteres geschultes Personal einzustellen. Weder vom Land noch vom Bund gibt es zudem tragfähige Prognosen zu den Zuweisungszahlen oder zur Zahl der erwarteten Flüchtlinge. Dies macht eine Personalplanung für eine Ausländerbehörde ungemein schwierig. Aufgrund der ständig steigenden Zahlen entsteht aber immer mehr Personalbedarf, der nicht zeitnah abgedeckt und auch im Stellenplan so schnell nicht nachgelegt werden kann. Anzumerken bleibt, dass für den immensen zusätzlichen Aufwand in den Ausländerbehörden der Kreise bisher keine ausreichende finanzielle oder organisatorische Unterstützung durch übergeordnete Behörden erfolgt ist." Kreis Ostholstein auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein
Beamtenbund: Ausländerbehörden bei Bewerbern unbeliebt
Der Deutsche Beamtenbund sieht im Fachkräftemangel ein grundsätzliches Problem im öffentlichen Dienst. Die Ausländerbehörden würde es besonders treffen. "Das ist also Konfliktpotenzial, dem die Beschäftigten direkt ausgesetzt sind," erklärt Landesvorstand Kai Tellkamp. Der Ton sei in den Behörden häufig rau und das führe auch dazu, dass es gerade dort schwierig sei Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. "Wir haben auch eine hohe Fluktuation." Mitarbeitende würden sich deshalb anders orientieren und es sei sehr schwierig die Stellen nachzubesetzen. Tellkamp fordert eine gemeinsame Initiative von Bund, Länder und Gemeinden: "Abläufe sollen in den Behörden entbürokratisiert werden. Dazu müsse auch das komplizierte Ausländerrecht angepasst werden", so Tellkamp.
Natalia Krasnova hat am Ende Glück gehabt. "Ich habe mir genau das erhofft, ich wusste, dass Mitleid unsere einzige Chance ist," sagt sie. "Sie haben sich unsere Dokumente angesehen. Wir mussten zwanzig Minuten warten, dann wurden uns wortlos der Bescheid herausgegeben. Hätten mich die Bekannten nicht nach Eutin gefahren, wäre ich heute vollkommen mittellos mit einem schwerbehindertem Kind." Erstmal hat die Mutter Ruhe, doch der aktuelle Bescheid läuft schon in vier Wochen aus. Und dann muss sie wieder bei der Ausländerbehörde in Eutin antreten.