Archäologische Funde auf zukünftigem Northvolt-Gelände bei Heide
Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände einer geplanten Batteriefabrik sind Archäologen in Lohe-Rickelshof unter anderem auf drei Grabstellen gestoßen. Die Funde sind bis zu 2.000 Jahre alt.
In Lohe-Rickelshof bei Heide (Kreis Dithmarschen) plant der schwedische Batterieproduzent Northvolt den Bau einer Batteriezellenfabrik. Obwohl die Investitionsentscheidung noch aussteht, finden bereits jetzt vorbereitende Maßnahmen statt. Dazu zählen archäologische Untersuchungen des Geländes. Obwohl die Ausgrabungen gerade erst begonnen haben, haben sie sich offensichtlich bereits gelohnt. Der Leiter der Ausgrabung, Eric Müller, ist begeistert: "Wir haben in den ersten drei Wochen 700 Funde frei gelegt. Das ist weit mehr als erhofft."
Grabstellen und Schmuck in etwa einem Meter Tiefe
Bei den Ausgrabungen stießen die Archäologen auch auf drei Grabstellen. In einer Grube fanden sie in etwa einem Meter Tiefe Überreste reicher Beigaben. Dort haben die Bewohner offenbar eine Frau begraben und das Grab mit zwei Gewandnadeln, einer Bernsteinkette, Tischgeschirr und Tassenbeigaben reich ausgestattet. "Die Frau lag seitlich in dem Grab mit dem Kopf nahe eines Gefäßes. Wir werden diesen Fund im Sand-Block ausgraben und in der Restaurationswerkstatt im Schloss Gottorf (Kreis Schleswig-Flensburg) weiter untersuchen", sagt Müller. Die Bernsteinkette ist schwarz angelaufen. Nach der Restaurierung erhalte sie ihre ursprüngliche Farbe zurück, verspricht der Experte.
Frühe Einflüsse aus Elbe-Weser Raum in Dithmarschen
Insgesamt kennen die Experten nur wenige Gräber dieser Art. Häufig haben Dorfgemeinschaften die Körper verbrannt. Deshalb spreche einiges dafür, dass es in Lohe-Rickelshof Einflüsse aus dem Elbe-Weser-Raum gab. "Sowohl die Bestattungsart als auch die Beigaben zeigen uns das sehr deutlich", erklärt Müller. Auch die Nord-Süd-Ausrichtung der Gräber würde dafür sprechen. Offenbar stammt das Grab aus der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts. Eine genaue Analyse der Gewandnadeln steht noch aus.
Forscher: Großes Areal war 500 Jahre permanent besiedelt
8,5 Hektar Fläche haben die Experten vor sich. Der Großteil davon ist noch grüne Wiese. Bei Voruntersuchungen im vergangenen Jahr wurde schnell klar: Hier gab es eine Siedlung mit Lang- und Grubenhäusern. Jetzt stellt sich heraus, dass in einer Reihe dieser Häuser die damaligen Bewohner Textilien herstellten - und das über Jahre. Das zeigt ein vollständiger Satz von Webgewichten, der in einem der Grubenhäuser gefunden wurde, sagt Eric Müller: "Das ist schon sehr ungewöhnlich für unsere Region, dass wir diese Häuser in der Qualität so gut erhalten und in so einer Anzahl finden." Die Forscher gehen davon aus, dass das Areal 500 Jahre permanent besiedelt war.
Funde sind zum Teil 2.000 Jahre alt
Der größte Teil der Häuser stammt offenbar aus der Zeit der frühen Völkerwanderung, demnach dem vierten bis fünften Jahrhundert nach Christi. Einige Funde sind wohl sogar 300 Jahre älter. Einem ersten Zwischenstand zufolge fanden die Experten Grundrisse von 12 vorgeschichtlichen Langhäusern, 16 Grubenhäusern und 7 Speicher- oder Nebengebäuden.
Bisher war aus der Völkerwanderungszeit an der schleswig-holsteinischen Westküste nur das Grubenhaus als Bauform bekannt. Außerdem konnten die Forscher jetzt neben den Grabstellen drei Öfen, mehrere Gruben sowie Grabenabschnitte und weitere Siedlungsstrukturen identifizieren. Dazu kommen zahlreiche Keramikfunde - das sind vor allem Scherben von Gefäßen, in denen Bewohner Nahrungsmittel aufbewahrten.
Forscher rechnen mit Vielzahl weiterer Funde
Für die archäologischen Ausgrabungen sind insgesamt zwölf Monate vorgesehen. Begonnen wurde Mitte März. Derzeit arbeiten zwei Grabungsteams parallel auf der Fläche. Die Untersuchungen stehen noch ganz am Anfang. Ein Großteil der Fläche ist noch gar nicht geöffnet. Die Forscher rechnen deshalb mit einer großen Anzahl weiterer Funde. Aus archäologischer Sicht ist also noch einiges zu erwarten. "Wir haben noch nie so eine große Fläche bearbeitet, das ist einzigartig in Schleswig-Holstein", schwärmt Eric Müller.
Moorfrosch hat auf dem Gelände offenbar sein Laichrevier
Auch die Naturschützer sind auf dem Areal unterwegs. Dort soll der Moorfrosch zu Hause sein. Er ist sehr selten und steht unter Naturschutz. Bei der Paarungszeit verfärbt er sich und wird blau. Allerdings, so Levke Peters von der Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung, hätten sie den Moorfrosch noch nicht gesichtet. Obwohl er im vergangenen Jahr hier sein Laichrevier hatte. "Das liegt vermutlich auch am langen Frost. Dafür haben wir hier die Erdkröten." Sie und ihre Kolleginnen haben damit begonnen, die Erdkröten einzufangen. Sie bringen sie auf eine Ausgleichsfläche, die sich ebenfalls nahe der Stadt Heide befindet.
Naturschützerinnen siedeln Erdkröten um
Levke Peters geht von mehreren Hundert Erdkröten aus, die sie in den kommenden Wochen noch fangen müssen. "Man muss schon sehr genau gucken", erklärt Jana-Sophie Lemme, die täglich mit einem Kescher an den Wassergräben entlang läuft. An einem Tag hat sie über 90 Erdkröten eingefangen. Außerdem keschen sie auch die Laichstränge der Kröten weg.
Der Laich wird ebenfalls auf der neuen Fläche wieder abgelegt. Wenn die Naturschützerinnen keinen Laich mehr finden, sei die Umsiedlung der Frösche beendet. "Wenn hier erst einmal alles zugeschüttet wurde, wollen wir keine Kröten und Frösche mehr finden", sagt Lemme. Allerdings ist noch offen, ob und wann der Bereich zugeschüttet wird. Die endgültige Entscheidung von Northvolt für den Bau einer Batteriefabrik steht noch aus.