Das Landgericht in Osnabrück. © NDR Foto: Oliver Gressieker

Raub-Serie in Nordhorn: Prozess gegen vier Männer gestartet

Stand: 24.09.2024 16:12 Uhr

Am Landgericht Osnabrück hat am Montag der Prozess gegen vier junge Männer begonnen. Sie sollen eine Serie brutaler Raubüberfälle in Nordhorn begangen haben.

Bei den vier Angeklagten handelt es sich um Männer im Alter zwischen 21 und 24 Jahren. Die Anklage lautet auf schweren Bandendiebstahl, besonders schweren Raub sowie erpresserischen Menschenraub. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück wirft den Angeklagten vor, zwischen November 2023 und Januar 2024 zehn brutale Raubüberfälle begangen zu haben. Nach Angaben eines Gerichtssprechers sind zwei der Beschuldigten Mitglieder eines aus dem Libanon stammenden Familienclans. Bei einer Verurteilung drohen allen Angeklagten bis zu 15 Jahre Haft.

Clankriminalität - Ein umstrittener Begriff

Immer wieder berichtet die Polizei von Ermittlungen gegen sogenannte Clankriminalität. Nach der Definition des niedersächsischen Innenministeriums ist ein Clan eine durch verwandtschaftliche Beziehungen und eine gemeinsame ethnische Herkunft verbundene kriminelle Gruppe. Genau diese Definition ruft aber vielfach Kritik hervor. Thomas Müller etwa hat bei der Polizei Bremen im Bereich gegen Organisierte Kriminalität ermittelt und parallel Kriminologie studiert. Er bemängelt, dass die Polizei mit dem Begriff Clankriminalität eine Schablone für Menschen anlege, die sehr unterschiedlich sind. Sie würden als Einheit definiert, weil man sie einer Familienstruktur zuordnet und weil sie einen gewissen Nachnamen haben. "Man muss sich das mal vorstellen: Wenn man alle Müllers als potenziell kriminell ansieht und sie ständig überprüft, dann macht das etwas mit dem Bild, das Polizei und Gesellschaft von allen haben, die Müller heißen." Kritiker schlagen vor, stattdessen die Begriffe "organisierte Kriminalität" oder "kriminelle Bande" zu nutzen.

Brutaler Raubzug: Rentner im Visier

Zum Prozessauftakt am Montag wurde die Anklage verlesen. Demnach sollen sich die Beschuldigten gezielt ältere Menschen für ihren Raub ausgewählt haben, darunter ein 97-jähriges Opfer. Bewaffnet mit Messern und Brechstangen sollen sie überwiegend nachts in Wohnungen eingedrungen sein. Dabei hätten sie die Opfer bedroht, geschlagen und Tränengas eingesetzt, um Bargeld, Wertsachen und EC-Karten samt PIN-Codes zu erbeuten.

Raubserie, um Lebensunterhalt zu verdienen

Zwei der Angeklagten sollen laut Staatsanwaltschaft in die Häuser eingedrungen sein, während ein Dritter draußen im Fluchtwagen gewartet habe. Über Walkie-Talkies hielten sie dabei Kontakt. Ihre Handys hätten sie ausgeschaltet, um nicht über Funkzellen erfasst zu werden. Der vierte Angeklagte sei zwar nicht direkt bei den Einbrüchen dabei gewesen, habe jedoch den Fluchtwagen organisiert. Insgesamt sollen sie bei ihren nächtlichen Raubzügen rund 80.000 Euro erbeutet haben.

Betroffene in Nordhorn leiden unter Folgestörungen

Die brutale Raubserie in Nordhorn hat tiefe Spuren hinterlassen: Laut Staatsanwaltschaft hat eine der ausgeraubten Frauen in der Tatnacht einen Schock erlitten und infolgedessen das sogenannte "Broken Heart Syndrom" entwickelt. Sie musste daraufhin längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden, hieß es. Aus der Anklage geht hervor, dass mehrere der anderen Opfer auch heute noch unter Angstzuständen und Schlafstörungen leiden. Aussagen von Betroffenen gab es zum Prozessauftakt noch nicht.

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Vorgetäuschter Steinwurf führt Ermittler zu Angeklagten

Auf die Spur der Täter kam die Polizei eher zufällig: In Nordhorn hatten die Männer demnach versucht, einen Unfall mit einem Leihwagen vorzutäuschen. Laut Anklage gaben die Männer an, dass ihr Auto von einem Stein getroffen wurde, der von einer Brücke geworfen worden sei. Die Schäden am Auto passten jedoch nicht zu einem Steinwurf, und beim Abgleich der GPS-Daten aus dem Leihwagen fanden die Ermittler eine Parallele zum ersten Raubüberfall: Der Wagen stand am Tag zuvor am Tatort. Dies führte schließlich zu den weiteren Ermittlungen und der Festnahme der Verdächtigen.

In dem Prozess sind bis Februar noch 22 Verhandlungstage angesetzt. Am 10. Oktober soll der Angeklagte, der den Fluchtwagen besorgt haben soll, zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Die anderen Angeklagten werden laut ihren Anwälten weiterhin schweigen. Im Falle einer Verurteilung drohen bis zu 15 Jahre Haft.

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Hände in Handschellen gelegt © Fotolia.com Foto: Gina Sanders

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 23.09.2024 | 10:00 Uhr

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