Lernen mit Schwester Josefine: Was bringt Phänomen "study with me"?

Stand: 05.10.2023 10:37 Uhr

Stundenlang am Schreibtisch sitzen und büffeln - wer studiert, fühlt sich mitunter einsam. Das Youtube-Phänomen "study with me" bietet virtuelle "Lernpartner" wie Schwester Josefine aus Osnabrück. Aber funktioniert das?

von Britta Nareyka

Das Youtube-Video von Benediktiner-Schwester Josefine dauert fast zwei Stunden. Es zeigt die schweigende Schwester am Schreibtisch. Sie liest, blättert, steht mal auf, kommt zurück, im Hintergrund ist der Osnabrücker Dom zu sehen. Das war's. In sogenannten "study with me"-Videos passiert wirklich nichts Aufregendes und das über Stunden. Wer für eine Prüfung lernt, kann so ein Video im Hintergrund laufen lassen und paukt parallel dazu den eigenen Stoff. So ist man "nicht allein". Das soll motivieren, der eigenen Arbeit Struktur geben.

Bisher keine Belege für Nutzen von "study with me"

Ob das wirklich besser klappt als Lernen mit realen Lernpartnern - dazu gibt es bisher keine belastbaren Daten, sagt Vera Gehrs, wissenschaftliche Mitarbeiterin im "Learning-Center" der Hochschule Osnabrück. Sie beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Frage: Wie funktioniert das Lernen in der Zukunft? Dabei hat sie als einen Weg auch das "study with me"-Phänomen genauer betrachtet.

Muss es Youtube sein? Oder tut es auch ein Spiegel?

Schon ein Spiegel oder eine Kamera im Raum können demnach dafür sorgen, dass Studierende fokussierter und konzentrierter bei der Sache sind, sagt Gehrs. "Allein dieses Gefühl, beobachtet zu werden, steigert die Leistung, dazu gibt es Studien", so die Wissenschaftlerin. Dieser Effekt spiele möglicherweise auch bei den "study with me"-Videos eine Rolle. Noch dazu sei es motivierend, zu sehen: Jemand anderes schafft das auch, konzentriert sich über Stunden auf die Lerninhalte. "Dann leiten Menschen automatisch daraus ab: Das kann ich auch!"

Oder gilt doch: Zusammen ist man weniger allein?

Die Videos sind meist strukturiert aufgebaut. Es gibt längere Lernphasen, zwischendurch kurze Pausen. "Manche Videos laufen aber auch zehn oder zwölf Stunden lang", so Vera Gehrs. Bei einigen Userinen und Usern führe das zu einem gegenteiligen Effekt. "Sie beschreiben, dass es ihnen gar nicht gut tut, sondern eher deprimiert." Medienexperten der Beratungsplattform "Juuuport" in Hannover sind ebenfalls skeptisch. Echte Gemeinschaft könne durch diese Videos nicht ersetzt werden. "Dazu gehört auch eine gewisse körperliche Nähe, die der Bildschirm zwar vorgaukelt, aber nicht real schaffen kann", so die Experten.

Lernen mit Nonne: Einfach mal ausprobieren

Für Karsten Morisse, Professor für Medieninformatik an der Hochschule Osnabrück, ist das Phänomen "study with me" ein spannendes Feld. Die Fähigkeit, sich selbst zum Lernen zu motivieren, habe bei vielen jungen Menschen abgenommen, gerade auch durch intensive Mediennutzung. Er habe seinen Studierenden geraten, "study with me" einfach mal auszuprobieren. "Mein erster Gedanke war: Das ist völliger Blödsinn. Aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr glaube ich: Einigen Studierenden kann das tatsächlich helfen." Einen Versuch sei es auf jeden Fall wert - auch mit Nonne, so Morisse.

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