Lehrerin wiederbelebt - Reanimations-Projekt rettet Leben
Bei einem Herzversagen zählt jede Minute. Ein Notfallmediziner aus Osnabrück setzt sich ehrenamtlich dafür ein, dass Schüler und Lehrer wissen, was im Notfall zu tun ist. Und hat damit sogar schon Leben retten können.
Diesen Tag im September wird Lehrerin Steffi Schrage aus Bad Laer wohl nie vergessen. Nach dem ersten Schulblock sackt sie im Lehrerzimmer plötzlich in sich zusammen. Ihre Kollegen reagieren schnell und richtig: durch eine Herzdruckmassage und den Einsatz des schuleigenen Defibrillators überlebt die 55-Jährige ohne bleibende Schäden. "Ich kann mich an nichts erinnern, hatte vorher keinerlei Anzeichen", so Steffi Schrage, die erst jetzt, ein halbes Jahr später, an die Schule zurückgekehrt ist. Sie sei noch dabei das Erlebte zu verarbeiten. "Ich habe nur überlebt, weil meine Kollegen sofort wussten, was zu tun ist."
Schüler und Lehrer zu Lebensrettern machen
Ein paar Monate vor diesem Vorfall hatten die Lehrerinnen und Lehrer der Oberschule in Bad Laer das erste Mal Besuch von Notfallmediziner Dr. Andreas Atzeni. Seit fünf Jahren "tourt" er durch Schulen im Landkreis Osnabrück, um Schülern und Lehrern lebensrettende Maßnahmen beizubringen. Atzeni macht das ehrenamtlich, jeden Mittwoch, an seinem freien Nachmittag. Dabei schult er die Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Wissen dann wiederum an ihre Schülerinnen und Schüler im Unterricht weitergeben sollen. "Durch diesen Schneeballeffekt erreichen wir dann auch Geschwisterkinder, Eltern, Freunde. Und je mehr Leute wissen, was zu tun ist, desto besser", so Dr. Atzeni. Mittlerweile habe er mit dem Reanimations-Projekt weit mehr als 10.000 Menschen in Stadt und Landkreis Osnabrück erreicht.
Prüfen, rufen, drücken
Durch das richtige Handeln bei einem Herzstillstand erhöht sich die Überlebenschance von 10 auf 40 zu 70 Prozent, erzählt der Arzt seinen Schulungs-Teilnehmern. Zum richtigen Handeln gehören drei wichtige Dinge: Prüfen, rufen, drücken. Die Ersthelfer sollen also zunächst Atmung und Bewusstsein der betroffenen Person überprüfen, danach den Notruf absetzen und schließlich mit der Herzdruckmassage beginnen. "Eine Beatmung ist nicht zwingend erforderlich", betont der Arzt. Um das Ganze auch in der Praxis zu testen, bekommen die Schulen jeweils 20 Übungspuppen gestellt, die durch Spenden finanziert werden. "Gedrückt werden muss dann mittig auf den Brustkorb - 100 bis 120 Mal pro Minute", so Atzeni. Er hofft, dass in Zukunft sogar jede Schule mit einem Übungs-Defibrillator ausgestattet werden kann. "Wer es einmal gemacht hat, verliert die Scheu das Gerät auch im Ernstfall zu nutzen."
Deutschland hinkt hinterher

In anderen europäischen Ländern wie Dänemark oder Belgien gehöre Reanimation fest zum Lehrplan. Erfahrungen aus diesen Ländern würden deutlich machen, dass eine optimale Laien-Reanimation die Überlebensrate verdoppeln oder sogar verdreifachen kann, so Atzeni. Wie wichtig das schnelle und richtige Handeln ist, belegt er mit weiteren Zahlen: Der Rettungsdienst trifft im Schnitt nach etwa neun Minuten ein. Das Gehirn beginne jedoch schon nach fünf Minuten zu sterben. "Darum ist es wichtig sofort aktiv zu werden, sonst ist ein Überleben unmöglich." Das Land Niedersachsen hat die Dringlichkeit mittlerweile erkannt. Ab 2026 sollen Wiederbelebungsmaßnahmen zum Unterrichtsinhalt an niedersächsischen Schulen werden. Das hat der Landtag Ende Januar mit großer Mehrheit beschlossen. "Ein wichtiger Schritt", so der Notfallmediziner, der seit Jahren genau dafür gekämpft hat.
Schon drei Leben gerettet
Neben der Lehrerin aus Bad Laer habe es in den vergangenen Jahren bereits zwei weitere Fälle im Umfeld von Schulen gegeben, in denen es nach der theoretischen Schulung zum Ernstfall gekommen ist. Eine Schülerin aus Osnabrück habe ihren Vater zu Hause wiederbelebt, in Fürstenau konnte vor wenigen Wochen ein 12-jähriges Kind im Unterricht gerettet werden. "Ein Herzversagen kann wirklich jeden treffen, nicht nur alte, dicke Männer", warnt Andreas Atzeni. "Und helfen können sogar schon jüngere Kinder." Nach den weiterführenden Schulen besucht er mittlerweile auch die Grundschulen in Stadt und Landkreis Osnabrück. Lehrerin Steffi Schrage hat direkt nach ihrer Rückkehr in die Schule an einer Notfall-Schulung teilgenommen. Das Thema Reanimation wird sie auf jeden Fall regelmäßig in den Unterricht integrieren. "Ich bin ein lebendes Beispiel dafür, dass man nicht früh genug anfangen kann die Leute aufzuklären und zu schulen", so die Lehrerin.
