Getötete 19-Jährige: Prozess ist gestartet - ohne Öffentlichkeit

Stand: 04.09.2023 21:13 Uhr

Vor dem Landgericht Osnabrück muss sich seit Montag ein 20-Jähriger verantworten. Er soll im März in Bramsche-Pente eine 19-Jährige ermordet haben. Um den Prozess macht das Landgericht ein Geheimnis.

von Susanne Schäfer

Verhandelt wird nicht nur der mutmaßliche Mord auf einer Geburtstagsparty. Es geht auch um weitere Straftaten aus der Jugend des Angeklagten. Deshalb findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Diese Vorgabe legt das Landgericht Osnabrück weit aus. Noch nicht einmal den Start-Termin des Prozesses wollte das Gericht im Vorfeld genau nennen und sprach von "Anfang September 2023". Lediglich über das Prozessende soll informiert werden.

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Der 20 Jahre alte Mann, der wegen eines Tötungsdeliktes unter Tatverdacht steht und festgenommen wurde, wird der Haftrichterin vorgeführt. © dpa-Bildfunk Foto: Festim Beqiri/TV7News /dpa

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Partygäste finden Opfer nachts auf einer Wiese

Dabei hatte die Tat im Frühjahr für großes Aufsehen gesorgt: Während am 4. März rund 150 Gäste in der Schützenhalle im Bramscher Ortsteil Pente eine Geburtstagsparty feiern, wird eine Besucherin Opfer eines Gewaltverbrechens. Gegen halb zwei in der Nacht vermissen die anderen Gäste die 19-Jährige und finden sie schließlich schwer verletzt auf einer Wiese am Fußballplatz neben der Schützenhalle. Dort wurde sie vermutlich auch vergewaltigt. Am frühen Morgen sei sie dann in einem Osnabrücker Krankenhaus für tot erklärt worden, sagte damals der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Alexander Retemeyer.

Gericht will Termin und Urteil nicht mitteilen

Wie dieser Fall aufgeklärt und welche Strafe dafür verhängt wird, das wird die Öffentlichkeit nach jetzigem Stand nie erfahren. Das Landgericht Osnabrück beruft sich auf den Paragrafen 48 im Jugendgerichtsgesetz. Demnach ist die Verhandlung einschließlich der Verkündung der Entscheidung nicht öffentlich. Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit soll verhindert werden, dass der noch junge Angeklagte stigmatisiert wird. Landgerichtssprecher Christoph Willinghöfer hält das Gesetz in diesem Punkt für eindeutig:

 "Wenn der Gesetzgeber gesagt hätte, die Begründung soll nicht öffentlich sein, aber der Schuldspruch soll bekannt gegeben werden oder auch, weshalb er verurteilt worden ist, dann hätte er dies klarstellen können. Aber er sagt: Nein, die Verkündung der Entscheidung ist nicht öffentlich und damit sehe ich mich daran gehindert, weitergehende Informationen auch nach Abschluss des Verfahrens bekannt zu geben."

 

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Justizministerium hält Schweigen in Osnabrück für richtig

Damit geht Osnabrück einen strengeren Weg als das Landgericht Hannover. Das hatte im Fall des ermordeten 14-Jährigen in Wunstorf zumindest über den Prozesstermin und das Urteil informiert. Das Landgericht Osnabrück habe danach die eigene Haltung noch einmal überprüft, bleibe aber dabei, so Christoph Willinghöfer. Das niedersächsische Justizministerium lässt den Gerichten im Land dazu freie Hand. Aus Sicht des Ministeriums besteht "Einigkeit zwischen den niedersächsischen Gerichten, dass der vom Gesetzgeber zwingend angeordnete vollständige Ausschluss der Öffentlichkeit auch eine Information der Presse generell ausschließt". Ausnahmen davon - etwa um Spekulationen zu beenden - liegen im Ermessen der einzelnen Gerichte, darauf nehme das Ministerium keinen Einfluss, so Sprecher Christoph Sliwka.

"Reporter ohne Grenzen" wünscht sich mehr Offenheit

Die Juristin Nicola Bier kümmert sich bei der Organisation "Reporter ohne Grenzen" um alle Fragen rund um Pressefreiheit. Sie hält es zwar für richtig, dass Presse- und Informationsfreiheit hinter dem Schutz des Jugendlichen zurückstehen. Allerdings hätten die Gerichte hierbei einen Ermessenspielraum. Sie bedauert, dass das Landgericht Osnabrück den im Fall Bramsche nicht ausschöpft. Aus Sicht von "Reporter ohne Grenzen" wäre es besser, wenn das Landgericht nach der nicht-öffentlichen Verhandlung zumindest über das Urteil informiert. Das Interesse der Öffentlichkeit an diesem Urteil sei legitim - zumal es auch im Namen des Volkes gesprochen wird. "Um Falschinformationen vorzubeugen, wäre es wünschenswert, dass das Gericht bei der Kommunikation über das Urteil die Initiative ergreift", so Nicola Bier. Und die Juristin ergänzt: "Wenn Grundrechte wie die Pressefreiheit eingeschränkt werden, dann muss das gut erklärt und begründet werden."

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