Eine Toilette für alle mit XXL-Wickeltisch
Marco Hörmeyer sitzt mit seiner elfjährigen Tochter Amelie im Café. Er trinkt einen Cappuccino, sie einen Apfelsaft. Einen solchen Ausflug in die Osnabrücker Innenstadt machen die beiden gerne. Noch vor einer Weile war der aber mit einem Risiko verbunden. Denn Amelie hat bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen. Deshalb sitzt sie heute im Rollstuhl, kann andere zwar gut verstehen, aber selbst nicht sprechen. Und vor allem kann sie ihren Stuhlgang nicht steuern.
Innenstadtbummel wird zum Risiko
Ihr Vater erläutert die schwierige Situation. "Es kann sein, dass wir eine gute Phase haben und wir vor dem Innenstadtbummel zu Hause passend gewickelt haben. Dann haben wir wirklich einen schönen und ruhigen Innenstadtbummel", sagt er. "Es gab aber auch nicht selten die Situation, dass wir mit Amelie angekommen sind und direkt gerochen haben, dass wir sie wieder einpacken und mit dem Auto nach Hause fahren können."
XXL-Wickeltisch im Café
Aber das ist Vergangenheit: Denn mitten in der Osnabrücker Innenstadt gibt es einen neuen XXL Wickeltisch. Über die Selbsthilfegruppe Lebenshilfe hat Marco Hörmeyer sich dafür eingesetzt. Das neue Stadtgalerie-Café der Heilpädagogischen Hilfe hat jetzt einen großen Pflegeraum mit höhenverstellbarer Liege. Hörmeyer kann seine Tochter hier jetzt wickeln. "Wenn man diese Möglichkeit hat, dann hat man wirklich diese Teilhabe und Lebensqualität, die man vorher nicht hatte", betont er.
Lifter wäre grandiose Zugabe
Amelie wiegt inzwischen schon 40 Kilo. Ihr Vater kann sie noch gut heben, ihrer Mutter fällt das dagegen zunehmend schwer. Zuhause haben sie deshalb auch einen Personen-Lifter. Der passte im Stadtgalerie-Café aber nicht in den Toilettenraum hinein. "Überhaupt eine Pflegeliege zu haben ist schon grandios", so Hörmeyer. "Ein Lifter wäre dann eine Eins mit Sternchen."
Zoo Osnabrück zieht nach
Eine barrierefreie Toilette mit Pflegeliege und Lifter wird es bald im Zoo Osnabrück geben. Der stellvertretende Zoo-Inspektor Thorsten Vaupel hat früher Zivildienst in einem Pflegeheim gemacht und weiß, wie schwierig ein Tag im Zoo ohne Wickelmöglichkeiten ist. "Ausflüge mit pflegebedürftigen Menschen klappen einfach nicht, weil man sie nicht versorgen kann", sagt Vaupel. "Viele davon sind eben inkontinent. Und den ganzen Tag in einer nassen dreckigen Windel sein, da vergeht einem der Spaß, selbst in der schönsten Situation."
Großbritannien ist Vorreiter
Mit dem geplanten Lifter erfüllt der Zoo Osnabrück dann künftig die Kriterien, um auf der Karte der Initiative "Toiletten für alle" aufzutauchen. Dahinter steckt die Stiftung Leben pur. Die Vorsitzende Nicola Maier-Michalitsch setzt sich seit Jahren dafür ein, dass es mehr davon in Deutschland gibt. Ihr Vorbild ist dabei Großbritannien. "Dort gibt es schon länger ein Projekt mit dem Namen "Changing Places", das es sogar geschafft hat, dass 2009 ein "British Standard" eingeführt wurde, also im Prinzip eine Richtlinie vergleichbar mit unseren DIN-Normen", berichtet sie. "Landesweit gibt es inzwischen mehr als 1.000 Changing Places an öffentlichen Orten wie Flughäfen, Bahnhöfen, Fußballstadien, Schwimmbädern, Museen."