Ein toter Vogel liegt an einem Deich. © Sina Schuldt/dpa Foto: Sina Schuldt/dpa

Vogelgrippe-Ausbrüche in Norddeutschland mit "neuer Qualität"

Stand: 21.09.2022 15:15 Uhr

Tote Vögel, verlassene Nester, verhungerte Jungtiere: Die Vogelgrippe wütet in diesem Jahr in Norddeutschland massiv. Experten sprechen von einer Pandemie bei Wild- und Seevögeln.

Das Infektionsgeschehen habe "eine neue Qualität", sagte Timm Harder, der Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza am Friedrich-Löffler-Institut in Greifswald. Dieses Ausmaß an Vogelgrippe-Infektionen im Sommer habe man erstmalig beobachtet. Normalerweise komme es im Zusammenhang mit Vogelzug vor allem von Oktober bis April zu größeren Ausbrüchen. Besonders betroffen seien laut Harder Seevogel-Kolonien in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In Mecklenburg-Vorpommern habe es zuletzt weniger Infektionsnachweise gegeben.

Zehntausende Seevögel an der Nordsee verendet

Harder geht davon aus, dass allein an der Nordsee Zehntausende Vögel an dem Virus gestorben sind. Dort seien in erster Linie Seeschwalben betroffen. Im Landkreis Wesermarsch hat das Virus zuletzt unter Jungstörchen gewütet. An der Ostsee hat das Virus die Kormoran- und Lachmöwen-Bestände hart getroffen. Man könne von einer Pandemie bei Wildvögeln sprechen, sagte Harder, weil das Vogelgrippevirus sich neben Norddeutschland auch in Großbritannien, Skandinavien, Island und Nordamerika ausgebreitet habe.

Basstölpel auf Helgoland vor dem Aussterben

Die Vogelgrippe bedrohe zum Teil ganze Vorkommen, sagte Martin Rümmler, Referent für Vogelschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Auf Helgoland sei beispielsweise der Basstölpel in Gefahr. Es ist bundesweit der einzige Ort, an dem dieser Vogel brütet. "Das heißt, wenn die Kolonie erlischt, ist die Art für Deutschland ausgestorben. Schätzungen des lokalen Vogelschutzvereins zufolge hätten die Hochseevögel bis zu 80 Prozent der Nester verlassen. Die Folgen könne man erst im kommenden Jahr abschätzen, wenn die Alttiere zu brüten anfangen.

Veterinäre töten Zehntausende Hühner, Gänse und Enten

In Niedersachsen wütet das Virus zudem erheblich unter Nutztieren. Immer wieder sind Geflügelbetriebe von Infektionen betroffen. Obwohl die Behörden weiträumig Sperrbezirke einrichten, schleicht sich das Virus in die Bestände. Beinahe wöchentlich keulen Veterinäre Zehntausende Tiere. Erst am Sonntag ließ der Landkreis Oldenburg 30.000 Masthähnchen in einem Betrieb in Ganderkesee töten.

Pandemie vorerst nicht einzudämmen

Vogelgrippe-Experte Harder glaubt nicht daran, dass sich die Pandemie kurzfristig in den Griff bekommen lässt. Man könne infizierte Kadaver schnell einsammeln und vernichten. "Das Virus kann auf diese Art und Weise sicherlich nicht mehr eingedämmt werden." Es gebe Überlegungen, in Europa Impfungen wie mancherorts in Asien zu erlauben. Dagegen sprächen etwa der hohe Kontroll- und Finanzaufwand. "Das wird in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich verstärkt diskutiert werden", so Harder.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 21.09.2022 | 08:00 Uhr

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