Schüsse bei Grenzkontrolle: Zweifel an rechtmäßigem Polizeieinsatz
Ein Video zeigt, wie Polizisten bei einer Kontrolle an der deutsch-niederländischen Grenze in Bunde (Landkreis Leer) die Fenster eines Autos einschlagen. Ein Rechtsexperte zweifelt an der Verhältnismäßigkeit.
Es handle sich bei dem Vorfall um kein gängiges Vorgehen, sagte Polizeirechtler Clemens Arzt dem NDR Niedersachsen am Dienstag. "Es wirkt zumindest nicht sehr professionell, nicht sehr durchdacht." Seiner Einschätzung nach hätten die Einsatzkräfte das Fahrzeug vorne und hinten besser blockieren sowie andere Hilfsmittel nutzen können. Laut Arzt darf ein Flüchtender zudem nur dann mit einer Schusswaffe aufgehalten werden, wenn es einen Verdacht auf ein Verbrechen gibt oder die Person eine Schusswaffe bei sich trägt. "Ich habe hier erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit", sagte der Experte.
Viele Fragen zum Vorfall sind offen
An dem Einsatz am vergangenen Donnerstag waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft Aurich sowohl Bundespolizisten als auch Polizisten aus den Niederlanden beteiligt. Der Vorfall sei brisant und nicht alltäglich, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Weiter wollte sich die Bundespolizei auf Nachfrage des NDR Niedersachsen wegen der laufenden Ermittlungen vorerst nicht äußern - auch nicht zur Vorgeschichte und warum die Beamten so vorgegangen sind. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte indes, der Autofahrer sei in Panik geraten, als die Polizisten sein Auto umstellt und darauf eingeschlagen hatten. Die Bundespolizei äußerte sich dazu nicht. Unklar blieb auch, warum sich der 54-jährige Autofahrer zuvor nicht kontrollieren lassen wollte.
Video im Internet zeigt den Vorfall
Die Zeitung "Dagblad van het Noorden" aus Groningen (Niederlande) hat das Video veröffentlicht, das den Vorfall in Bunde zeigt. Darauf ist zu sehen, wie ein Auto an einem Kontrollzelt an der Autobahn 280 steht. Hinter und vor dem zu kontrollierenden Auto stehen Polizeifahrzeuge. In dem Auto mit niederländischem Kennzeichen sitzt ein Mann. Die Bilder zeigen, wie Polizisten versuchen, die Fenster mit Schlagstöcken einzuschlagen. Als ein Polizist mit seinem Fuß ein Fenster eintritt, gibt der Fahrer Gas. Als er wegfährt, sind Schussgeräusche zu hören - dann endet das Video. Der Staatsanwaltschaft ist das Video nach eigenen Angaben bekannt. Demnach ist das Video authentisch. "Es wird ermittelt, ob es Anhaltspunkte für Straftaten gibt, und ob das Verhalten der Polizisten rechtmäßig war", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Auch sie schwieg zu den Hintergründen.
Staatsanwaltschaft ermittelt, wer Schüsse abgegeben hat
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gab die Bundespolizei mehrere Schüsse ab. Wie viele genau, ist demnach nicht bekannt. Im Video sind knapp ein Dutzend Schüsse zu hören. Unklar sei, ob ein einzelner Polizist oder mehrere Einsatzkräfte auf das Auto geschossen hätten. Verletzt wurde laut Polizei niemand. Die genauen Abläufe und Hintergründe seien Teil der laufenden Ermittlungen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Auch werde geprüft, ob Ermittlungen gegen den Autofahrer nötig sind. Der 54 Jahre alte Mann sei vernommen worden und auf freiem Fuß. Ein konkreter Tatvorwurf gegen ihn liege nicht vor, so die Sprecherin. Nach dem Vorfall am Donnerstag teilte die Polizei zunächst mit, dass ein Autofahrer an dem Grenzübergang versucht hatte, sich der Kontrolle zu entziehen. Nachdem er die Kontrollstelle durchbrochen hatte, hätten die Polizisten ihn mit Nagelsperren zum Halt gezwungen.